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Schneeköniginnen

Schneeköniginnen

Titel: Schneeköniginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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nicht so ein Theater, die Leute schauen
schon her.«
    »Die müssen auch nicht solche Sachen
essen! Außerdem verstehen sie wahrscheinlich kein Deutsch.« Worüber Anne mehr
als dankbar war. Katie biß ein winziges Stück ab.
    »Schmeckt wie ein Knorpel.«
    »Also bitte!«
    Anne verfolgte mit forschendem Blick,
wie Katie das weiße Fleisch hin- und herkaute. »Na?«
    »Ist okay.« Sie aßen stumm weiter.
Katie deutete auf eine Auster. »Ist dieses Vieh auch roh?«
    »Ja, ziemlich. Probier’s, das ist eine
Delikatesse.«
    Es grauste Katie vor diesem
schlüpfrigen, nach fauligem Seetang stinkenden Weichtier, aber sie wollte sich
nicht weiter auf Diskussionen mit Anne einlassen, weshalb sie den Inhalt der
Schale diskret unter einem Salatblatt versteckte. Ein Königreich für eine
Pizza! Doch schon kreuzte eine weitere Scheußlichkeit den Weg ihrer Gabel:
»Anne!« Klirrend fiel ihr Besteck auf den Teller, wie auf Kommando drehten sich
alle Köpfe im Lokal zu ihnen um, das Gemurmel der Gespräche ebbte für Sekunden
ab, um dann sanft wieder anzurollen.
    »Was ist?« fragte Anne gereizt. Katie
zeigte mit dem Finger auf einen kleinen Tintenfisch, grazile Fangärmchen mit
winzigen Saugnäpfen, die sich violett vom schneeweißen Fleisch abhoben. »Das
ist... widerlich! Eine Krake. Sowas kann ich nicht essen.«
    »Dann laß sie liegen.«
    Katie schob den Teller weit von sich.
Sie hatte genug von diesem Gourmetfraß, wer weiß, was für Ekeltiere noch unter
den Salatblättern auf sie lauerten. Frittierte Hirschkäfer oder Heuschrecken in
Gelee. Diese Franzosen schienen vor rein gar nichts zurückzuschrecken.
    Während Anne ungerührt und, wenn Katie
sich nicht täuschte, sogar mit einem versteckt brutalen Lächeln um die
Mundwinkel weiteraß, ließ Katie die leere Seeigelhülle unter einer voluminösen
Seidenrose im Tischgesteck verschwinden. Zum gegebenen Zeitpunkt wollte sie das
Teil in die Stoffserviette wickeln und in ihre Handtasche stecken, als
Souvenir. Katie nahm gerne Erinnerungsstücke mit, am liebsten aus Kaufhäusern.
    Der Ober räumte ab, wobei er sich
suchend auf Katies Teller umsah.
    »War gut«, lächelte Katie
katzenfreundlich, »besonders die Stacheln. Vielleicht eine Idee zu lange
mariniert.«
    Er ließ einen vernichtenden Blick auf sie
hinabfallen und wandte sich naserümpfend an Anne. »Es tut uns außerordentlich
leid, aber der 89 er Marquis de Terme ist nicht mehr vorrätig. Aber wir würden
Ihnen einen 87 er vom selben Chateau zum selben Preis überlassen.«
    Anne musterte ihn langsam, von Kopf
bis Fuß, und wiederholte dann leise. »Einen 87er. Zum selben Preis?«
    »Selbstverständlich, Madam.« Seine
steife Butlermiene ließ keinerlei Gemütsregung erkennen.
    »Sagen Sie, wollen Sie mich
verarschen?« fragte Anne, nach wie vor mit ihrem freundlichsten Lächeln.
    »Wie bitte?« Sein Kopf zuckte wie der
eines balzenden Ringeltaubers. Sogar Katie hob die Augenbrauen.
    »Jedes Kind weiß, daß der 87er
Jahrgang im Bordeaux, gelinde gesagt, ziemlich mittelmäßig war. Nicht zu
vergleichen mit dem 89 er, und den wollen Sie mir zum gleichen Preis andrehen?«
Annes Blick versetzte ihm eine eiskalte Dusche.
    »Verzeihung, aber...«
    »Bringen Sie mir nochmals die
Weinkarte!« befahl Anne. Der Basset kuschte.
    »Mann, dem hast du’s aber gegeben!«
jubilierte Katie.
    »Ist doch wahr! Mir ihre korkigen
Ladenhüter andrehen zu wollen...«, schmollte Anne.
    »Sowas probieren sie bloß bei Frauen«,
behauptete Katie kämpferisch.
    »Ja, aber nicht mit uns!« Sie
prosteten sich mit dem Weißwein zu, der trinkbar war, aber im übrigen nicht im
entferntesten hielt, was seine blumige Beschreibung versprochen hatte. Der
nächste Gang war eine cremige Suppe, die allerdings stark nach Knoblauch roch.
    »Stinkt wie ein fauler Zahn, aber
schmeckt gut. Wir werden hinterher in keine Bar mehr gelassen.« Katie lutschte
genießerisch die letzten Tropfen von ihrem Löffel.
    »Das macht nichts. An Schneckensuppe
muß nun mal Knoblauch.«
    »Sagtest du Schneckensuppe?«
    »Ja.«
    »Anne?« Es hörte sich beinahe
weinerlich an.
    »Hm?«
    »Ich glaube, ich muß kotzen.«
    »Katie! Reiß dich gefälligst zusammen.
Sie hat dir doch hervorragend geschmeckt.«
    »Ja, aber alleine die Vorstellung, wie
die Biester eine glibbrige Schleimspur hinterlassen, wenn sie über den Gehsteig
kriechen, und wie sie dann im Frühjahr massenweise zermatscht daliegen,
wenn...«
    »Jetzt ist aber Schluß! Denkst du,
eine geschlachtete Rinderhälfte

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