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Schneeköniginnen

Schneeköniginnen

Titel: Schneeköniginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Wert der Tischdekoration hätte
man eine Durchschnittsfamilie aus der Bronx drei Wochen lang satt bekommen,
rechnete Katie.
    Der Ober brachte die Weinkarte — sie
hatte den Umfang eines mittleren Romans — und bedachte Katie mit einem
säuerlichen Blick. Nach so vielen Berufsjahren hatte er ein seismographisches
Gespür entwickelt und erkannte auch hinter einer eleganten Verschalung sofort,
wer hierher paßte und wer nicht.
    »Soll ich dir etwas übersetzen?«
fragte Anne.
    »Heißt das, du verstehst das alles?«
Katie riß in ehrlicher Anerkennung die Augen auf.
    »Das meiste. Was möchtest du zur
Vorspeise?«
    Katie verschwand wieder hinter der
Karte, murmelte vor sich hin und erklärte dann mit strahlendem Blick: »Ach,
weißt du was Anne, ich nehme einfach dasselbe wie du.«
    »Na gut. Gibt es etwas Bestimmtes, was
du nicht ißt? Fisch zum Beispiel?«
    Sie überlegte einen Augenblick, wobei
sie sich nachdenklich am Kopf kratzte.
    »Katie...«, mahnte Anne.
    »Was?« Katie ließ erschrocken die Hand
sinken. »Oh. Schon klar. Also, ich esse alles. Außer Sauerkraut, ich kann
Sauerkraut nicht mal riechen.«
    »Sauerkraut, aha. Damit werden wir
hier wohl kein Problem bekommen.«
    »Wozu ist das viele Besteck?« Katie
wies auf die silberne Armada, die den blitzblanken Platzteller zu beiden Seiten
flankierte.
    »Wart’s ab. Das werden wir alles noch
brauchen.«
    Der Ober, sein Gesichtsausdruck
erinnerte an einen greisen Basset mit meterlangem Stammbaum, erkundigte sich
nach ihren Wünschen. Katie lauschte beeindruckt dem französischen Wortschwall,
der wie flüssiges Silber aus Annes Mund perlte. Die Wahl der Weine wurde
diskutiert. Anscheinend trank man verschiedene, einen Weißen zuerst, dann einen
Roten, aber das war auch wirklich alles, was Katie von der ganzen Bestellung
verstand.
    Anne, begierig auf neue Erfahrungen,
entschied sich für einen kalifornischen Chardonnay, Jahrgang ‘90, der als
»reintönig, frischfruchtig, zart, mit einem leisen Abgang von Apricot« apostrophiert
wurde. Zum Hauptgang vermied sie derlei Experimente und wählte einen Bordeaux,
1989 er Chateau Marquis de Terme, angekündigt als »gut strukturiert,
körperreich, mit großer Finesse und Eleganz«.
    Katie konnte ein Kichern nicht unterdrücken
und erntete dafür einen strafenden Blick vom Ober, was Anne insgeheim ärgerte.
Sie reagierte allergisch auf Snobismus.
    »Möchtest du einen Aperitiv?« fragte
Anne.
    »Na klar. Wie wär’s mit ‘nem Tequila?«
    Anne bestellte Sherry, und der Mann in
Schwarz zog endlich ab.
    »Ich hab’ eine Idee«, verkündete
Katie. »Wir könnten uns doch für die Weiterfahrt ein Auto kaufen, anstatt eines
zu mieten.«
    »Kaufen?«
    »Ja, ein gebrauchtes. Und wenn wir in
L. A. sind, verscherbeln wir es wieder. Vielleicht machen wir sogar einen
Gewinn damit. Wär’ doch nicht schlecht, oder? Natürlich ein billiges«, fügte
sie hinzu. »Aber es sollte die Strecke schon noch überleben.«
    Mit dem Weißwein kam der erste Gang:
Komposition aus Meeresfrüchten an diversen Blattsalaten.
    »Was ist denn das?« fragte Katie
angewidert.
    »Ein Seeigel.«
    In der Mitte des Tellers spreizte er
seine schwarzen Stacheln, eine eifarbene Füllung kräuselte sich aus der Öffnung
hervor, gekrönt von ein paar Schnittlauchröllchen.
    »Nein, ich meine das Tier da, es hat
Fühler und Augen.«
    »Eine Garnele.«
    »Es schaut mich genau an!«
    »Dreh doch einfach den Teller um, dann
schaut sie mich an. Meine Psyche kann das verkraften.«
    »Anne, du hast gesagt, es kommen
Früchte!«
    »Meeresfrüchte. Nun stell dich nicht
an. Schau mir zu, wie ich es mache. Den Kopf ißt man sowieso nicht mit.« Anne
puhlte fachgerecht das Fleisch aus dem rosigen Panzer, Katie tat es ihr folgsam
nach, ließ aber dann den Happen unberührt liegen. »Ich weiß nicht... ich esse
lieber erst mal das Rührei.« Sie löffelte den Inhalt des Seeigels. »Schmeckt
gut. Abartige Idee, das Ei in einen Seeigel zu stecken.«
    »Schließlich ist die Füllung ja auch
Seeigel«, stellte Anne klar. »Es ist sein eigener... nun... Inhalt. Nur eben
mit Ei gestreckt oder verfeinert, wie es wohl heißt. Damit der Geschmack des
rohen Fleisches nicht zu streng...«
    »Du meinst, ich habe eben Seeigel
gegessen? Roh?«
    »Sicher. War doch gut, nicht?«
    Blankes Grauen verzerrte Katies Miene.
»Das ist das Perverseste, was mir je begegnet ist, und mir ist schon so
manches...«
    »Das glaube ich dir«, unterbrach Anne
rasch. »Jetzt versuch die Garnele. Mach

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