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Schneeköniginnen

Schneeköniginnen

Titel: Schneeköniginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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wäre ein erhebender Anblick? Und du ißt
trotzdem deine Hamburger.«
    »Das tun alle. Aber Schnecken! Nur
Igel und Blindschleichen essen Schnecken. Und das soll ein Feinschmeckerlokal
sein? Sag, was kommt als nächstes? Nur, damit ich gewarnt bin.«
    »Bar Poché au Beurre Blanc«, lächelte
Anne. »Pochierter Seebarsch in weißer Buttersauce. Ist das in Ordnung?«
    »Fisch ist ganz okay.«
    Der Fisch war wirklich okay, auch wenn
Katie mit der Präzision eines Gehirnchirurgen zu Werke ging, um auch ja jede
Gräte zu entfernen. Sie kam dabei regelrecht ins Schwitzen, und so ganz konnte
sie die mühsam erkämpften Bissen dann auch nicht genießen, denn wer weiß,
vielleicht verbarg sich im Innern doch noch eine heimtückische Gräte, die ihren
sofortigen Erstickungstod herbeiführen könnte. Aber zumindest verlief dieser
Gang ohne Zwischenfälle, und man brauchte keine unliebsamen Begegnungen mit
fremdartigen Kreaturen auf seinem Teller zu befürchten.
    Der Basset erschien mit hängenden
Lefzen und einer funkelnden, kristallenen Schale, worin sich Gefrorenes befand.
    »He«, flüsterte Katie, »war das schon
alles? Dieses winzige Stückchen Fisch und die ganzen Kriechtiere?«
    »Nein, wie kommst du darauf? Es fehlt
noch der Hauptgang, oder was glaubst du, wofür der Burgunder sein soll?« Anne
hatte sich nach vielem Hin und Her schließlich für einen Corton-Clos du Roi
Grand Cru, Jahrgang 90 entschieden, welchen auch ihr Vater in seinem Weinkeller
beherbergte, wenigstens wußte man so, was einen erwartete. Der Weinkeller, ach
ja. Klein aber fein, etwa dreitausend Flaschen. Nicht daß ihr Vater regelmäßig
Wein trank. Dafür war er zu sparsam. Der Wein wurde zu besonderen Gelegenheiten
konsumiert, deren sich etwa zwei bis drei pro Jahr fanden, oder wenn
Geschäftsfreunde verköstigt werden mußten. Ansonsten war der Keller eine reine
Kapitalanlage. Nur er selber hatte einen Schlüssel dazu, Anne nicht, und erst
recht nicht ihre Mutter, aus gutem Grund...
    »Und warum serviert dieser
Hirnverbrannte dann jetzt schon den Nachtisch?«
    Anne unterdrückte ein Grinsen. »Das
ist kein Nachtisch, das ist ein Sorbet. Als Zwischengang.«
    »Es schmeckt wie Wassereis?«
    »Es sind kaltgerührte Fruchtsoßen,
manchmal mit Likör oder Champagner verfeinert. Sie dienen dazu, das sogenannte
>normannische Loch< zu füllen.«
    »Das was?«
    »Eine Überleitung vom Fisch- zum
Fleischgang.«
    »Normannisches Loch!« Katie brach in
haltloses Gekicher aus. Als sie sich wieder gefangen hatte, fragte sie: »Und
was ist das für eine Art Loch?«
    »Ein Sorbet von Rosa Grapefruit mit
Pomeranzenlikör.«
    »Ah, jetzt kann ich’s auch erkennen.
Vorhin hätte ich glatt geschworen, es wäre eine gelbe Grapefruit mit rosa
Champagner gewesen.«
    Als das normannische Loch gestopft
war, stöhnte Katie: »Ach Anne, mit mir hast du dir eine gewaltige Aufgabe
aufgehalst. Mir bringt wohl niemand so schnell Kultur bei.«
    »Nicht aufgeben, Katie, der Anfang war
schon ganz brauchbar. Und wenn du jetzt aufhören würdest, die Schale auszulecken,
dann könnten wir den Weißwein austrinken und zu den >Perdreaux Rôtis sur
Canapés< übergehen.«
    »Ist das wieder so eine Schweinerei?«
    »Gebratene Rebhühner auf
Lebercanapes.«
    »Hühner auf Ledersofas?«
    »Leber, Katie. Leberstücke.
Irgendeinen Einwand?«
    »Nein, hört sich gut an.«
    »Dann bin ich ja froh.« Während sie
den Rebhühnern und dem Burgunder den Garaus machten, diskutierten sie ihre
weitere Reiseroute. Den Gedanken, daß ihr Rückflug in weniger als einer Woche
gebucht war, verdrängte Anne nahezu völlig. Selbst wenn sie von L. A. aus nach
Hause fliegen würde, war die Zeit mehr als knapp, doch das erschien ihr im
Moment einfach nicht wichtig. Ihr Job, ja sogar Stefan, das alles hatte an
Bedeutung verloren. Sie fühlte sich frei und unbeschwert, solange sie nur in
Bewegung blieb. Sogar der Gefängnisaufenthalt hatte im nachhinein seine
komische Seite. Das würde irgendwann einmal eine prächtige Anekdote abgeben:
»Als ich mal in den Staaten versehentlich verhaftet wurde und die Nacht im
Knast verbringen mußte...«
    So interessant Washington auch war,
sie konnte es andererseits kaum erwarten, bald wieder unterwegs zu sein. Katie
ging es ähnlich, wenn auch aus anderen Gründen. Sie hatten sich gerade
geeinigt, morgen ein Auto zu kaufen, da unterbrach Katie abrupt ihre
Unterhaltung und flüsterte: »He, Anne, das Sackgesicht da drüben, am zweiten
Tisch, der glotzt uns die ganze Zeit

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