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Schneeköniginnen

Schneeköniginnen

Titel: Schneeköniginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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an.«
    »So? Na wenn schon, wundert dich das?
Wir sehen heute aber auch ganz besonders toll aus.«
    »Was man von ihm nicht behaupten
kann.«
    Anne schielte in die angegebene
Richtung. Es handelte sich um einen Herrn in den aller-allerbesten Jahren,
Woody-Allen-Frisur, rosiges Gesicht, Doppelkinn, heller Anzug, schrille
Krawatte, zu kurze Hosenbeine, wie alle Amerikaner, an den Manschetten blinkten
Diamanten, der Größe nach falsche.
    »Ih, ist der schmierig«, bestätigte
Anne, »der zieht ja schon Fäden. Wenn ich den länger ansehe, kriege ich Pickel.
Schau bloß nicht wieder hin.«
    Sie vertieften sich wieder in ihr
Gespräch und beendigten ihr Essen, ohne ihn zu beachten, jedoch spürte Anne
förmlich die Blicke ihr tiefes Rückendekollete hinauf- und hinunterwandern.
    »Eigentlich sollte man ihn abschleppen
und ausnehmen wie ‘ne Weihnachtsgans«, murmelte Katie. »Ich kenne die Sorte:
Säuisch bis zum Gehtnichtmehr, aber nichts dafür bezahlen wollen.«
    »Untersteh dich!«
    »War ja nur so ‘ne Idee.«
    »Möchten die Damen vielleicht ein
Dessert?« machte sich der Ober bemerkbar. Sie ließen sich die Karte bringen,
entschieden sich für >Pêches Cardinal<, gekochte Pfirsiche mit
Himbeerpüree, und vermieden, in eine gewisse Richtung zu sehen.
    Die Pfirsiche schmeckten himmlisch.
    »Muß ich die Pflanze auch mitessen?«
    »Nein, das ist Zitronenmelisse, nur
zur Garnitur.«
    »Aha.« Katie sezierte mit der Gabel
ein graugrünes Etwas und verzog das Gesicht.
    »Was ist jetzt schon wieder?«
erkundigte sich Anne mit einem winzigen Hauch von Ungeduld.
    »Ist bei dir auch ein Schmetterling
dabei?«
    »Wie?«
    »Da, schau her.« Katie zeigte auf
ihren Tellerrand, wo, zart bestäubt mit Puderzucker, ein toter Nachtfalter lag.
    »Wo kommt der her?«
    »War hier zwischen der
Zitronenmelisse, ich schwör’s dir.« Anne winkte dem Ober, der sich eilfertig
näherte. Seit der Schlappe mit dem Rotwein war er äußerst dienstbeflissen. Anne
wies in stummer Anklage auf das Insekt, eine dezente Röte übertünchte sein
Gesicht in ehrlicher Betroffenheit.
    »Oh, das ist... entschuldigen Sie, ich
werde Ihnen selbstverständlich einen neuen...« Der arme Mensch war nun wirklich
verlegen, zumal er für diese Leiche auf dem Teller tatsächlich nichts konnte.
Er tat Katie auf einmal leid.
    »Ach, machen Sie deswegen keinen
Terror in der Küche«, meinte sie leutselig und nahm ihm den Teller wieder aus
der Hand. Sie spießte den Nachtfalter auf die filigrane Silbergabel und ließ
ihn in ihrem Mund verschwinden, wo sie ihn auf jeder Backe zweimal durchkaute,
schluckte, und mit einem halben Glas Burgunder nachgoß. »Wenn ich dran denke,
was ich heute schon alles essen mußte, dann ist das geradezu harmlos.«
    Der Ober verdrehte die Augen, und dann
brach Anne in hemmungsloses Gelächter aus, die Tränen flossen ihr herunter, sie
prustete in ihre Serviette, natürlich blickte das ganze Lokal nur noch auf sie
beide. Anne floh zur Toilette, während Katie sich seelenruhig Wein nachgoß.
    Einigermaßen wiederhergestellt kam
Anne zurück, sie durfte bloß Katie nicht ansehen, sofort fing die Lacherei
wieder an.
    Aus dem Nichts zauberte der Basset
zwei Gläser Cognak vor sie hin.
    »Das wäre aber nicht nötig gewesen«,
wehrte Anne ab.
    »Verzeihung«, der Ober räusperte sich,
»das ist von dem Herrn Innensenator, dort, zwei Tische weiter.«
    Anne drehte sich um, und der Typ von
vorhin prostete ihr zu. Blitzschnell sah sie wieder weg.
    »Bringen Sie das bitte zurück.«
    »Nein, nein«, fuhr Katie dazwischen, »lassen
Sie das bloß da!«
    »Wie Sie wünschen.«
    »Aber ja doch.« Katie nahm ihr Glas,
hob es in Richtung des Wohltäters und kippte den Inhalt in einem Zug hinunter.
    »Katie, mußte das sein? Ich will den
Kerl nicht für den Rest des Abends auf der Pelle haben.«
    »Wirst du nicht«, versicherte Katie,
und das Funkeln in ihren Augen hätte Anne eigentlich vorwarnen müssen. Seufzend
kippte auch sie den Cognak hinunter. Sie konnte ihn gebrauchen.
    Es dauerte keine zwei Minuten, da pirschte
er schon an ihren Tisch heran, wie ein Schakal an ein wohlfeiles Stück Aas. Er
blickte auf sie herunter, ein Feldherr bei der Musterung seiner Truppe.
Siegesgewiß fletschte er seine Jacketkronen zu einem Grinsen, während er
überlegte, welche von den zwei Zuckerpüppchen er abschleppen würde, wenn nicht
vielleicht sogar alle beide. Er entschied sich vorerst für die kleine
Rothaarige mit dem Knackarsch und den Zahnstocherbeinen. Die

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