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Schneeköniginnen

Schneeköniginnen

Titel: Schneeköniginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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verhindert. Dafür beendete ein
lautes, zweistimmiges Hupkonzert ihr Frühstück.
    »Na also!« Katie sprang auf. »Unsere
Mitfahrgelegenheit.«
    Anne riskierte einen Blick aus dem
Fenster, die Helligkeit bohrte sich in die Augen. Draußen fläzten sich zwei
Kerle auf ihren Harleys. Der eine, in fransiger Wildlederkluft, sah aus wie
eine Neuauflage von Daniel Boone. Diese Typen, so erinnerte sich Anne schwach,
hatten sie gestern abend in irgendeiner Bar aufgerissen. Sie waren dort
ebenfalls fremd gewesen und hatten Katie angequatscht. Oder umgekehrt, das schien
wahrscheinlicher.
    Albuquerque war nicht übel, es gab
haufenweise schicke Lokale, weshalb der Abend wieder einmal in einen langen
Pistengang ausgeartet war.
    Doch was hatte sie da eben gehört?
Mitfahrgelegenheit? Diese Katie!
    Andererseits, überlegte Anne,
vielleicht war diese Lösung besser, als schon wieder ein Auto zu kaufen oder
sich in einen überfüllten Greyhound zwischen europäische Rucksackfreaks zu
quetschen.
    Also rafften sie ihre Sachen aus dem
Motel zusammen und fanden sich kurz darauf auf zwei sofaweichen Sätteln wieder.
Annes Fahrer war der Daniel-Boone-Verschnitt. Ein großer Blonder, mit
schulterlanger Mähne und einem Lederriemen um die Stirn. Er nannte sich
Hanky-Panky, Freunde durften ihn aber Hank nennen. Anne erinnerte sich vage,
gestern sogar mit ihm getanzt zu haben, als Entschädigung dafür, daß Katie ihm
zwanzig Dollar beim Billard abgeknöpft hatte.
    Ohne viel Aufhebens wurde ihr Gepäck
festgemacht, die Motoren angekickt, und sie verließen Albuquerque.
    Anne genoß das neue Fahrgefühl. Die
Räder schnurrten satt und gleichmäßig. Sie lehnte sich an Hanks
Schulterblätter, atmete das derbe Aroma aus Leder und Schweiß, das tausend
Abenteuer versprach, und bedauerte den Verlust des Jeeps nicht eine Sekunde.
Die Reifen schluckten das graue Band der Straße, der gestrige Tag mit allen
seinen Katastrophen lag weit, weit zurück, wie ein nebulöser Traum, der sich im
Morgengrauen verflüchtigt.
    Katie klebte wie ein Klammeräffchen
hinter einem verwirrend gut aussehenden Indianer in glänzendschwarzem
Lederzeug, der sich Ringo nannte. Ihr Haar züngelte wie eine Flamme hinter ihr
her, wahrscheinlich würde sie es nach dieser Fahrt nie wieder gekämmt kriegen.
Sie tagträumte stillvergnügt vor sich hin, etwas anderes konnte man auch kaum
tun, denn viel Abwechslung gab es nicht auf dieser Strecke. Die
allgegenwärtigen Autowracks, manche bereits von Unkraut überwuchert, zeugten
davon, daß dies eigentlich eine Reise in die Vergangenheit Amerikas war. Die
Interstate 40 hatte den kleinen Orten an der Mother Road mit einem Schlag den
Lebenshahn abgedreht. Was blieb, waren leere, brettervernagelte Gebäude und
verwitterte Schilder, die Essen, Drinks, Benzin, saubere Betten,
Autoreparaturen versprachen, eben all das, was der reisende Zivilist seinerzeit
benötigte.
    Einige Eiserne von damals waren
geblieben, sie versuchten nun ihr Geschäft mit romantisch veranlagten
Go-Westlern, die das echte Amerika irgendwo auf dieser zerklüfteten
Asphaltpiste zu finden hofften.
    Die beiden Harley-Jungs gehörten auch
zu dieser Sorte. Nicht bloß einmal hielten sie an einer stillgelegten
Tankstelle, deren Zapfsäulen melancholisch vor sich hin rosteten, oder vor
einem halbverfallenen Motel mit zersplitterten Fenstern, dessen morsches Schild
im Wüstenwind gespenstisch schaukelte und quietschte. Anne und Katie durften
dann staunend beobachten, wie sie diesen Relikten mit geradezu ehrfürchtiger
Andacht huldigten.
    Offensichtlich waren dies die
Auswüchse des eklatanten Mangels an echten Altertümern, an dem dieses Land
zweifellos krankte. Allem, was auf diesem Highway ein Alter von über dreißig
Jahren erreicht hatte, wurde zwangsläufig das Attribut »historic« aufgedrückt,
egal, worum es sich handelte. Auf ihrer Suche nach den Wurzeln der
motorisierten Gesellschaft schreckten echte 66-Freaks nicht einmal davor
zurück, Menschen zu lebenden Denkmälern zu erklären, sei es irgendein
Motelbesitzer, der seit den Fünfzigern hier ausharrte, oder ein volltrunkener,
alter Trucker, der wehmütige Anekdoten von der alten Straße zum besten gab.
    Sie kamen durch Grants, Bluewater,
Thoreau. Lauter müde Käf-fer, eines wie das andere, fast schon deprimierend.
Dafür beeindruckte die Gegend. Blutrote Felsengebilde stellten sich den
dahinjagenden Wolkenfetzen in den Weg. Eine Landschaft wie ein rauher Rocksong,
dachte Katie insgeheim. Laut ausgesprochen

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