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Schneeköniginnen

Schneeköniginnen

Titel: Schneeköniginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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hätte sie so etwas nie.
    Wenig später kündeten Schilder von
Indianerschmuck zu Discountpreisen, und bald darauf rollten sie in die
verhältnismäßig große Stadt Gallup, mitten im Navajoreservat, ein.
    Ein alter Indianer hockte vor einem Laden
mit 66-Souvenir-Tin-nef, streckte seine erdfarbenen, fleischlosen Beine in den
Straßenstaub und bettelte sie an. Hank schenkte ihm einen Dollar, und Ringo
murmelte etwas von einem »dirtyol’sonofabitch«.
    Gallup fungierte als Alkoholikertreff
der einheimischen Bevölkerung. Jugendliche starrten mit begehrlichen Blicken
die Harleys und die Mädchen an. Von jedem Haus priesen Reklametafeln billigen
Indianerkitsch an, der vermutlich aus Hongkong oder Korea stammte.
    Späte Rache, dachte Anne, früher waren
es die Indianer, die mit bunten Glasperlen übers Ohr gehauen wurden.
    Sie stolperten in ein schäbiges
kleines Restaurant, mit dazugehöriger Tankstelle, in dem die Huevos
Rancheros mit dem Texx-Mexx-Super-Dip jedoch wider Erwarten
hervorragend schmeckten. Die Biker kannten sich aus, sie fuhren die Strecke
mindestens einmal im Jahr, nur so zum Spaß.
    Katies Teint hatte die braungelbe
Farbe der Landschaft angenommen, der Dreck überdeckte sogar die Sommersprossen,
aber sie weigerte sich mit typisch irischer Bockigkeit, einen Helm zu tragen.
Nur so käme das authentische Easy-Rider-Gefühl auf, versicherte sie ernsthaft,
und Anne bezweifelte stark, ob Katie mit ihren läppischen zweiundzwanzig Jahren
Näheres darüber wußte.
    Klar war indessen, daß Katie es auf
Ringo abgesehen hatte, wahrscheinlich fehlte ihr noch ein Indianer in ihrer
Sammlung.
    Sie bestellten noch einen Kaffee, die
Juke-Box spielte Fifty ways to leave your lover. Durch die Gardinen, die
im Lauf der Zeit grau wie Recycling-Toilettenpapier geworden waren, studierte
Katie das nicht gerade lebhafte Treiben an der Tankstelle.
    Plötzlich schwappte eine heiße Welle
über ihr zusammen. Da draußen fuhr eine schwarze Corvette vor! Nein, das durfte
einfach nicht wahr sein! Es war die Corvette. Sie hielt an der
Tanksäule.
    Die Scheibe war erneuert worden, aber
die mordsmäßige Delle in der Kühlerhaube identifizierte das Fahrzeug eindeutig.
    Was jetzt? Verdammt, wo war Anne?
    Die stand, mit dem Rücken zum Fenster,
vor einer Kuchenvitrine und erörterte mit der Besitzerin die Unterschiede
zwischen Wal- und Pecannüssen. Draußen stieg der Beifahrer aus und sprach mit
dem Tankwart. Katie hatte ihn noch nie gesehen, aber das bewies gar nichts.
Fragte er nach dem Weg? Oder nach ihnen? Sie hielt die Luft an.
    Jedenfalls schüttelte der Tankwart
gleichgültig den Kopf. Ein Glück, er hatte sie nicht hineingehen sehen, da er
eben erst aus dem Kramladen gegenüber gekommen war. Der Typ befreite die
Windschutzscheibe mit einem Schwamm von tausend gekillten Insekten. Eigentlich
sieht er ja ganz normal aus, dachte Katie, beinahe sympathisch. Andererseits,
Dealer und Mafiakiller, die akkurat wie solche aussehen, bringen es vermutlich
in ihrer Karriere nicht sehr weit.
    Was ist, wenn die jetzt hier
reinkommen? Katie geriet in Panik. Sie murmelte etwas von einer verlorenen
Flaarspange und zog es instinktiv vor, unter den Tisch abzutauchen. Bange
Sekunden vergingen. Kamen sie herein? Konnten sie Anne von draußen sehen? Die
Glastür hatte keine Gardinen...
    »Was zum Teufel treibst du da unter
dem Tisch?« hörte sie Ringo.
    »Jedenfalls nichts, was du gerne
hättest.«
    In dem Moment ging die Tür auf. Katies
Herz setzte einen Schlag aus. Aber es war nur der Tankwart, der zu der
nudeldicken Mamma sagte: »Maria, zwei kalte Bier für draußen.«
    Annes Blick folgte eher zufällig den
Bierdosen. Von ihrer Position aus konnte sie nur das Heck der Corvette
erkennen, aber das reichte ihr schon. Mit schreckgeweiteten Augen sah sie sich
nach Katie um, doch es dauerte, ehe sie sie unter dem Tisch aufgespürt hatte.
Katie zeigte stumm mit dem Daumen nach unten, wie ein römischer Kaiser beim
Gladiatorenkampf.
    Anne kapierte. Es blieb leider keine
Wahl, mochten die anderen denken, was sie wollten: Lieber die Würde verlieren
als das Leben. Sie duckte sich, im Entengang durchquerte sie das Restaurant,
gefolgt von den besorgten Blicken Hanks, Ringos und der dicken Mamma.
    Sie erreichte Katie mit hochrotem
Kopf. »Ist gut für den Rücken«, ächzte sie, »besonders wenn man lange gesessen
hat.«
    Die anderen nickten ernst. Mitten
hinein in das Schweigen dröhnte von draußen das Startgeräusch eines
überzüchteten Motors. Katie

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