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Schneemann

Schneemann

Titel: Schneemann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Verwandtschaft zu tun.
     
    Kriminaloberkommissar Knut Müller-Nilsen liebte Julie Christie. So sehr, dass er es nie gewagt hatte, seiner Frau die volle Wahrheit zu beichten. Aber da er sie unter Verdacht hatte, ein entsprechendes außereheliches Verhältnis mit Omar Sharif zu pflegen, saß er ohne jedes schlechte Gewissen neben ihr und fraß Julie Christie mit den Blicken beinahe auf. Seine Freude wurde jedoch dadurch getrübt, dass seine Julie in eben diesem Augenblick stürmisch von eben jenem Omar umarmt wurde. Als das Telefon auf dem Wohnzimmertisch klingelte und er das Gespräch entgegennahm, drückte seine Frau auf den Pausenknopf, so dass dieser wunderbare, wenn auch schmerzhafte Augenblick ihrer Lieblings-DVD Doktor Schiwago für unbestimmte Zeit erstarrte.
    “Na so etwas, Herr Hole!”, rief Müller-Nilsen, nachdem sich der Hauptkommissar gemeldet hatte. “Ja, Sie haben sicher einiges zu tun.”
    “Haben Sie eine Minute Zeit”, fragte die gleichzeitig raue und weiche Stimme am anderen Ende.
    Müller-Nilsen blickte auf Julies rote, bebende Lippen und ihren nach oben gerichteten, verschleierten Blick. “Wir nehmen uns die Zeit, die wir brauchen, Hole. “
    “Als ich bei Ihnen im Büro war, haben Sie mir ein Bild von Gert Rafto gezeigt. Ich habe darauf etwas erkannt.”
    “Ach ja?”
    “Außerdem haben Sie etwas über seine Tochter gesagt. Dass sie sich doch noch gut rausgemacht habe. Diese Formulierung hat mich stutzig gemacht. Als sollte ich etwas wissen.”
    “Ja, aber sie macht sich doch gut, oder?”, fragte Müller-Nilsen. “Kommt darauf an”, sagte Harry.

KAPITEL 24
    19. Tag. Toowoomba
    Es summte erwartungsvoll unter den Kronleuchtern im Sonja-Henie-Saal des Plaza Hotels. Arve Stop stand an der Tür, an der er die Gäste empfangen hatte. Seine Kiefer waren mürbe vom Lächeln und durch all das Händeschütteln, hatte sich auch der Tennisarm wieder gemeldet. Eine junge Frau von der Event-Agentur, die die Verantwortung für die technische Durchführung hatte, stellte sich neben ihn und teilte ihm lächelnd mit, die Gäste seien jetzt alle an ihren Plätzen. Ihr schwarzer, neutraler Anzug und das Headset mit dem kaum sichtbaren Mikrofon ließen ihn an eine Agentin in Mission Impossible denken.
    “Dann gehen wir jetzt mal rein”, sagte sie und zupfte mit einer freundlichen, fast zärtlichen Geste die Fliege seines Smokings zurecht.
    Sie trug einen Ehering. Ihre Hüften schwangen vor ihm in den Saal. Hatten diese Hüften schon ein Kind zur Welt gebracht? Der Stoff der schwarzen Hose saß stramm über dem trainierten Po. Arve Stop stellte sich genau diesen Körperteil jetzt ohne Kleider vor, daheim vor seinem Bett in der Wohnung in Aker Brygge. Aber sie wirkte zu professionell. Das würde nur Probleme geben. Zu viel mühsames Überreden. Er begegnete ihrem Blick in dem großen Spiegel neben der Tür, erkannte, dass er entlarvt worden war, und lächelte breit und entschuldigend. Sie musste auch lachen, und eine leichte, ganz unprofessionelle Röte schoss ihr in die Wangen. Mission Impossible? Vielleicht doch nicht. Aber nicht heute Abend.
    An dem Achtertisch, an dem auch sein Platz war, erhoben sich alle, als er den Raum betrat. Seine Tischdame war seine stellver—
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    tretende Chefredakteurin. Eine langweilige, aber notwendige Wahl. Sie war verheiratet, hatte Kinder und das mitgenommene Gesicht einer Frau, die zwölf bis vierzehn Stunden pro Tag im Büro verbrachte. Er durfte gar nicht daran denken, was geschehen würde, sollte sie eines Tages feststellen, dass es im Leben noch mehr gab als Liberal. Der Tisch brachte einen Toast auf ihn aus, während Stop seinen Blick durch den Saal schweifen ließ. Das Licht der Kronleuchter fiel auf glitzernde Pailletten, Schmuck und lachende Augen. Und auf Kleider. Schulterfreie, rückenfreie, ganz und gar nicht jugendfreie.
    Dann ging es los. Die mächtigen Töne von “Also sprach Zarathustra” dröhnten aus den Lautsprechern. Bei den Vorbesprechungen mit dem Event-Büro hatte Arve Stop angedeutet, er fände diese Eröffnung nicht originell, sondern bloß pompös, außerdem müsse er dabei immer an die Entstehung der Menschheit denken. Man antwortete ihm nur, dass ja genau das beabsichtigt sei.
    Ein Fernsehpromi, der für die Moderation eine sechsstellige Summe gefordert und bekommen hatte, stieg auf die von Nebel umhüllte Bühne.
    “Meine Damen und Herren!”, rief er in ein großes, schnurloses Mikrofon, dessen Form Stop an einen gewaltigen

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