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Schneemann

Schneemann

Titel: Schneemann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Arve Stop lehnte an der Wand ganz hinten im Saal und blickte zur Bühne, vor der seine Gäste zusammengelaufen waren und hingerissen der Band lauschten. Es klang überwältigend. Und teuer. Der reinste Größenwahn. Arve Stop hatte gewisse Zweifel gehabt, aber die Event-Agentur hatte ihn schließlich doch überzeugen können, dass er sich mit einer derart verschwenderischen Investition ins Erlebnis die Loyalität und Begeisterung seiner Angestellten erkaufen konnte, den Stolz, für ihn arbeiten zu dürfen. Indem er sich ein Stückchen dieses internationalen Erfolgs kaufte, betonte er nicht nur den Stellenwert seines Blattes, sondern wertete auch das Markenzeichen Liberal auf und machte es damit für Anzeigenkunden noch interessanter.
    Der Sänger presste seine Finger gegen den kleinen Knopf im Ohr, als er den höchsten Ton ihres internationalen Hits aus den Achtzigern anstimmte.
    323
     
    “Keiner klingt falsch so schön wie Morten Harket”, bemerkte eine Stimme neben Stop.
    Er drehte sich um. Und wusste sofort, dass er sie schon einmal gesehen hatte - eine hübsche Frau vergaß er nie. Hingegen vergaß er immer öfter, wer, wo und wann es gewesen war. Sie war schlank, trug ein dunkles, einfaches Kleid mit einem Schlitz, das ihn an jemanden erinnerte. An Birte. Birte hatte so ein Kleid getragen.
    “Ich finde es skandalös”, widersprach er.
    “Der Ton ist nicht so leicht zu treffen”, erwiderte sie, ohne den Blick vom Sänger zu nehmen.
    “Ich finde es skandalös, dass ich mich nicht an Ihren Namen erinnere. Dabei weiß ich sicher, dass wir uns schon einmal kennengelernt haben.”
    “Nicht kennengelernt”, korrigierte sie. “Sie haben mich bloß angestarrt.” Sie strich sich die schwarzen Haare aus dem Gesicht. Sie war hübsch, aber auf eine klassische, etwas strenge Weise. Wie Kate Moss.
    Birte war eher der Pamela-Anderson-Typ gewesen.
    “Ich glaube, das ist entschuldbar”, flirtete er und spürte, wie er wach wurde, das Blut durch seinen Körper pulste und den Champagner in den Teil seines Hirns brachte, in dem der Alkohol anregend wirkte und nicht bloß betäubend.
    “Wie heißen Sie?”
    “Ich bin Katrine Bratt.”
    “Ah, ja. Dann sind Sie eine unserer Inserentinnen, Katrine? Oder arbeiten Sie in unserer Bank, als Vertreterin oder FreelanceFotografin? “
    Bei jeder Frage schüttelte Katrine lächelnd den Kopf.
    “Ich bin ein Partycrasher”, erklärte sie. “Eine Ihrer Journalistinnen ist eine Freundin von mir. Sie hat mir gesagt, wer nach dem Essen auftreten würde und dass ich sicher eingelassen werde, wenn ich mir ein anständiges Kleid anziehe. Haben Sie Lust, mich rauszuschmeißen? “
    Sie hob ihr Champagnerglas an die Lippen. Sie waren nicht so voll, wie er es gern hatte, aber tiefrot und feucht. Ihr Blick war noch immer auf die Bühne gerichtet, so dass er ihr Profil studieren konnte. Das ganze Profil. Den leicht geschwungenen Rücken, die perfekte Wölbung ihrer Brüste. Es musste nicht unbedingt Silikon sein, vielleicht auch nur ein guter BH. Aber konnten die schon ein Kind gestillt haben?
    “Ich denke darüber nach”, neckte er. “Haben Sie etwas zu Ihrer Verteidigung vorzubringen?” “Reicht auch eine Drohung?” ” Vielleicht.”
    “Ich habe draußen die Paparazzi gesehen, die auf die Promis mit ihren heutigen Eroberungen warten. Wie wäre es, wenn ich denen erzählte, was meiner Freundin passiert ist? Ihr ist doch allen Ernstes mitgeteilt worden, dass ihre Zukunftschancen bei Liberal deutlich geringer geworden seien, seit sie Ihre Annäherungsversuche abgewehrt hat.”
    Arve Stop lachte laut und herzlich. Er bemerkte, dass sie von ein paar anderen Gästen bereits neugierig beobachtet wurden. Als er sich zu ihr beugte, nahm er wahr, dass ihr Parfüm dem Eau de Cologne ähnelte, das er selbst benutzte.
    “Erstens habe ich wirklich keine Angst vor einem schlechten Ruf, schon gar nicht bei meinen Kollegen von der Regenbogenpresse. Zweitens taugt Ihre Freundin wirklich nicht zur Journalistin. Und drittens lügt sie. Ich habe dreimal mit ihr geschlafen. Und das dürfen Sie den Paparazzi draußen gerne erzählen. Sind Sie verheiratet?”
    “Ja”, antwortete die fremde Frau, drehte sich zur Bühne und schob das andere Bein durch den Schlitz vor, so dass er den spitzenbesetzten Abschluss ihrer halterlosen Seidenstrümpfe sah. Arve Stop spürte, wie er einen trockenen Mund bekam, und nahm einen Schluck Champagner. Dann sah er zu all den zappelnden Füßen vor der Bühne hinüber.

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