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Schneemann

Schneemann

Titel: Schneemann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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schüttelte den Kopf. “Warum nicht?”
    “Tja”, erwiderte Harry, “ich hätte mich ja auch irren können. Dann wäre ich in aller Stille zurückgekommen, ohne das Gesicht zu verlieren.”
    “Das stimmt nicht, du musst doch noch einen anderen Grund gehabt haben”, hakte sie nach.
    Harry musterte sie. Sie sah trauriger aus als er selbst.
    “Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht”, antwortete er. “Vermutlich hatte ich irgendwie gehofft, dass sie es doch nicht ist.”
    “Weil sie so ist wie du? Weil du so sein könntest wie sie?” Harry konnte sich nicht einmal daran erinnern, ihr erzählt zu haben, dass sie sich so ähnlich waren.
    “Sie sieht so allein und ängstlich aus”, erklärte Harry und spürte die Schneeflocken in den Augen brennen. “Wie jemand, der sich in der Dämmerung verlaufen hat.”
    Verdammt, verdammt noch mal! Er blinzelte und spürte das Weinen, das sich wie eine geballte Faust einen Weg durch seine Kehle zu bahnen schien. Musste er auch noch zusammenbrechen? Er fror, als er Rakels warme Hand in seinem Nacken spürte.
    “Du bist nicht sie, Harry. Du bist anders.”
    ” Ja?” Er lächelte zaghaft und schob ihre Hand weg. “Du bringst keine unschuldigen Leute um, Harry.”
    Harry verzichtete darauf, mit Rakel im Auto zurückzufahren, und nahm stattdessen den Bus. Er starrte auf die Schneeflocken und den Fjord draußen vor den Fensterscheiben und dachte daran, wie Rakel im letzten Moment noch das Wort “unschuldig” eingebaut hatte.
    Harry wollte gerade die Haustür in der Sofies gate aufschließen, als ihm einfiel, dass er keinen Pulverkaffee mehr hatte. Er machte kehrt und ging die fünfzig Meter weiter zu Niazi.
    “Ungewöhnliche Tageszeit für dich”, stellte Ali fest und nahm das Geld entgegen.
    “Überstunden abfeiern “, erklärte Harry.
    “Das ist vielleicht ein Wetter da draußen, was? Angeblich soll es bis morgen einen halben Meter Neuschnee geben.”
    Harry fingerte an dem Kaffeeglas herum. “Ich habe Salma und Muhammed vor ein paar Tagen im Innenhof einen ziemlichen Schrecken eingejagt.”
    “Hab ich von gehört.”
    “Das tut mir wirklich leid. Ich war ein bisschen sehr angespannt, das war alles.”
    “Schon in Ordnung. Ich hatte nur Angst, du könntest wieder getrunken haben.”
    Harry schüttelte den Kopf und lächelte. Er mochte die direkte Art des Pakistani.
    “Gut”, nickte Ali und zählte das Wechselgeld ab. “Wie läuft denn die Renovierung?”
    “Die Renovierung?” Harry nahm die Münzen entgegen. “Du meinst den Pilzmann ?”
    “Pilzmann ?”
    “Ja, dieser Typ, der den Keller auf Schimmel untersucht hat, Stormann oder so ähnlich.”
    “Schimmel im Keller?” Ali sah Harry entsetzt an.
    “Das wusstest du nicht?”, staunte Harry. “Aber du bist doch Vorsitzender der Wohnungsgenossenschaft. Ich dachte, der hätte mit dir gesprochen.”
    Ali schüttelte langsam den Kopf. “Vielleicht hat er mit Bjorn geredet.”
    “Wer ist Bjorn?”
    “Bjorn AsBjornson, der wohnt seit dreizehn Jahren im Erdgeschoss. Und ist fast genauso lange zweiter Vorsitzender.”
    “Aha, Bjorn”, wiederholte Harry mit einer Miene, als wollte er sich den Namen merken.
    “Ich werde das überprüfen”, versprach Ali.
    Oben in seiner Wohnung zog sich Harry die Stiefel aus, ging direkt ins Schlafzimmer und legte sich hin. In diesem Hotelzimmer in Bergen hatte er kaum Schlaf gefunden.
    Als er wieder wach wurde, war sein Mund trocken, und er hatte Magenschmerzen. Er stand auf, um ein Glas Wasser zu trinken, und erstarrte, als er auf den Flur kam.
    Beim Heimkommen war es ihm gar nicht aufgefallen, aber die Wände waren wieder da.
    Er ging von Zimmer zu Zimmer. Die reinste Hexerei. Die Arbeiten waren so perfekt ausgeführt worden, man hätte fast meinen können, es sei nie jemand da gewesen. Nicht ein einziges altes Nagelloch war zu sehen, nicht einmal eine Fußleiste war schief angebracht worden. Er berührte die Wand im Wohnzimmer, als wollte er sich versichern, nicht unter Halluzinationen zu leiden.
    Auf dem Wohnzimmertisch lag ein gelber Zettel. Eine handschriftliche Nachricht. Die Buchstaben waren zierlich und außergewöhnlich hübsch.
    Sie sind ausgerottet, von mir werden Sie also auch nichts mehr sehen. Stormann.
    PS. Musste eine der Wandvertäfelungen umdrehen, da ich mich geschnitten habe und Blut draufgetropft ist. Wenn Blut auf unbehandeltes Holz tropft, kriegt man es nie wieder weg. Dann kann man nur noch die ganze Wand rot streichen.
    Harry ließ sich in den

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