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Schneemann

Schneemann

Titel: Schneemann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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sah ihr an, dass sie die Warnung verstanden hatte, keine dummen Scherze mit dem Jungen zu machen.
    “Ich hab was gefunden, ja”, antwortete Katrine und öffnete ihre Mineralwasserflasche. “Aber du bist beschäftigt, wir können morgen darüber reden.”
    “So beschäftigt bin ich nun auch wieder nicht”, gab Harry zurück und hatte Fettfilm und Erstickungsgefühle vergessen.
    “Es ist geheim, und hier sind so viele Leute”, zögerte Katrine. “Aber ich kann dir ja ein paar Stichworte ins Ohr flüstern.”
    Sie beugte sich vor, und durch den Fettdunst nahm er den Geruch eines beinahe maskulinen Parfüms wahr, bevor er ihren warmen Atem an seinem Ohr spürte:
    “Ein silberner Passat hat gerade draußen auf dem Bürgersteig gehalten, drinnen sitzt eine Frau, die deine Aufmerksamkeit zu erregen versucht. Ich tippe mal, das ist Olegs Mutter … “
    Harry richtete sich abrupt auf und blickte durch das große Fenster zum Auto. Rakel hatte die Scheibe heruntergelassen und sah zu ihnen hinein.
    “Aber klecker mir bitte nicht das Auto voll!”, mahnte Rakel, als Oleg sich mit seinem Kebab auf den Rücksitz schob.
    Harry stand neben dem geöffneten Fenster. Sie trug den schlichten hellblauen Pullover, den er so gut kannte. Er wusste genau, wie die Wolle roch und wie sie sich anfühlte, wenn man darüberstrich oder seine Wange dagegenlehnte.
    “War das Konzert gut? “, fragte sie. “Frag Oleg.”
    “Was war das eigentlich für eine Band?” Sie betrachtete Oleg im Rückspiegel. “Die Leute tragen hier alle so komische Sachen.” “Ach, ruhige Lieder über Liebe und so”, erwiderte Oleg und zwinkerte Harry schnell zu, als sie ihren Blick vom Rückspiegel abwandte.
    “Danke, Harry”, sagte sie.
    “Nichts zu danken. Fahr vorsichtig.” “Wer war die Frau da drinnen?” “Eine Kollegin. Sie ist neu.”
    “Ach ja? Sah aus, als würdet ihr euch schon recht gut kennen.” “Wie meinst du das?”
    “Ach, ihr … “, begann sie und verstummte abrupt. Dann schüttelte sie langsam den Kopf und lachte. Ein tiefes, aber klares Lachen, das von weit unten aus ihrer Kehle kam. Sicher und unbeschwert. Genau in dieses Lachen hatte er sich damals verliebt.
    “Tut mir leid, Harry. Gute Nacht.”
    Die Scheibe glitt nach oben, und das silberne Auto fuhr los. Harrys Weg über die Brugata war ein Spießrutenlauf, überall
    Kneipen, aus deren offenen Türen Musik drang. Er fragte sich, ob er im Teddys noch einen Kaffee trinken sollte, wusste aber, dass das keine gute Idee war. Er entschloss sich vorbeizugehen.
    “Kaffee?”, wiederholte der Typ hinter dem Tresen ungläubig. Die Jukebox im Teddys spielte Johnny Cash, und Harry fuhr sich mit einem Finger über die Oberlippe.
    “Haben Sie einen besseren Vorschlag?” Harry hörte die Stimme, die aus seinem Mund kam. Sie klang bekannt und zugleich unbekannt.
    “Tja”, meinte der Mann und strich sich seine fettig glänzenden Haare nach hinten. “Der Kaffee ist nicht gerade frisch, wie wär’s mit einem frisch gezapften Bier?”
    Johnny Cash sang über Gott, Taufe und neue Versprechen. “In Ordnung”, sagte Harry.
    Der Mann hinter dem Tresen grinste.
    Im gleichen Moment spürte Harry das Handy in seiner Tasche vibrieren. Er nahm es, schnell und angespannt, als hätte er darauf gewartet.
    Es war Skarre.
    “Wir haben gerade eine Vermisstenmeldung hereinbekommen, die ins Schema passt. Verheiratete Frau mit Kindern. Als der Mann mit den Kindern vor ein paar Stunden nach Hause kam, war sie auf einmal verschwunden. Sie wohnen tief drinnen im Wald auf der Sollihogda. Von den Nachbarn hat sie keiner gesehen, und sie kann auch nicht mit dem Auto weggefahren sein, denn das hatte der Mann. Und auf dem Weg sind keine Fußspuren zu sehen.”
    “Fußspuren?”
    “Da oben liegt noch Schnee.”
    Das Halbliterglas wurde klirrend vor Harry abgestellt. “Harry? Bist du noch da?”
    “Ja, ja, ich denk bloß nach.”
    “Worüber?”
    “Stand da irgendwo ein Schneemann?” “Hä?”
    “Ob da ein Schneemann stand.” “Woher soll ich denn das wissen?”
    “Dann lass uns hochfahren und nachsehen. Steig ins Auto und hol mich vor Gunerius in der Storgata ab.”
    “Können wir das nicht morgen machen, Harry? Ich will heute Abend eigentlich noch eine flachlegen, und diese Frau wird doch nur vermisst. Das eilt doch nicht so.”
    Harry starrte auf den Streifen aus Schaum, der sich am Rand des Glases wie eine Schlange nach unten wand.
    “Im Grunde … “, widersprach er, ” … eilt es

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