Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schneemann

Schneemann

Titel: Schneemann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
Vom Netzwerk:
der am Ende den Sieg davonträgt.”
    ” Den Sieg über wen?”
    ” Tja”, antwortete Harry und sprach es zum ersten Mal laut aus: ” Auch wenn sich das nicht minder narzisstisch anhört: über mich.” ” Über dich? Wieso das denn?”
    ” Keine Ahnung. Vielleicht weil er weiß, dass ich der einzige Polizist in Norwegen bin, der schon mal einen Serienmörder gestellt hat. Vielleicht sieht er in mir eine Herausforderung. Der Brief könnte ein Indiz dafür sein, er spielt auf Toowoomba an. Ich weiß nicht, Holm. Kennst du eigentlich den Namen dieses Ladens in Bergen?”
     
    “Fleisch!”
    Das Wort kam in langgezogenem Bergener Dialekt. Der Mann, der sich freiwillig mit seinem wenig schmeichelhaften Spitznamen meldete - Peter Flesch -, war kurzatmig und laut, aber sehr entgegenkommend. Bereitwillig erzählte er, dass er alle Arten von Antiquitäten verkaufte, solange sie nur klein waren, hauptsächlich aber Papier, Feuerzeuge, Stifte, Mappen und Schreibwaren. Das meiste verkaufte er an Stammkundschaft mit ständig wachsendem Durchschnittsalter.
    Mit aufrichtigem Bedauern beantwortete er Harrys Frage nach den Kono-Briefbögen und erklärte ihm, dass er diese schon seit Jahren nicht mehr führte.
    ” Vielleicht ist das ja ein bisschen viel verlangt”, versuchte sich Harry, ” aber erinnern Sie sich noch daran, welche Stammkunden diese Briefbögen gekauft haben?”
    ” Nokken vielleicht. Müller. Und Kikkusxn auf Mülhiren. Wir haben da keine Aufzeichnungen, aber meine Frau hat ein gutes Gedächtnis. “
    ” Vielleicht könnten Sie uns die vollen Namen aufschreiben, das ungefähre Alter und eventuell auch die Adressen, wenn Sie sich erinnern? Und mir das Ganze dann per Mail schicken … ?”
    Harry wurde von einem Schmatzen unterbrochen. ” Dieses elektronische Zeugs haben wir nicht. Wollen wir auch nicht. Geben Sie mir lieber Ihre Faxnummer.”
    Harry las die Nummer vom Faxgerät des Dezernats ab. Er zögerte. Es war nur eine Idee. Aber diese Art von Ideen kam nie grundlos.
    “Sie hatten nicht zufällig vor ein paar Jahren einen Kunden mit Namen Rafto? Gert Rafto?”, fragte Harry. “Eisen-Rafto?” Peter Flesch lachte.
    “Sie haben also schon von ihm gehört?”
    “Die ganze Stadt wusste doch damals über den Bescheid. Nee, das war kein Kunde von uns.”
    Kriminaloberkommissar Bjarne Moller pflegte immer zu sagen, dass man alles Unmögliche eliminieren musste, um die einzig verbleibende Möglichkeit zu isolieren. Deshalb sollte man als Ermittler nicht verzweifeln, sondern sich jedes Mal freuen, wenn man eine Spur streichen konnte, die nicht zur Lösung führte. Außerdem war es ja nur eine Idee gewesen.
    “Tja, auf jeden Fall erst mal vielen Dank”, sagte Harry. “Einen schönen Tag noch.”
    “Er war kein Kunde”, fuhr Flesch unbeirrt fort. “Eher umgekehrt.”
    “Hä?”
    “Ja. Er kam hier manchmal mit so Kleinkram an. Gebrauchte silberne Feuerzeuge, goldene Füller. So was. Manchmal habe ich ihm was abgekauft. Aber natürlich nur, bis wir erfuhren, wo das Zeug herkam … “
    “Und wo kam es her?”
    “Haben Sie das denn nicht gehört? Er hat Sachen mitgehen lassen an den Tatorten, zu denen er gerufen wurde.” “Aber gekauft hat er nie etwas?”
    “Rafto hatte keinen Bedarf für unsere Waren.”
    “Und einfach bloß Briefbögen? Die braucht doch jeder mal” “Tja, bleim Sie mal am Apparat, ich frage meine Frau.”
    Eine Hand wurde auf die Sprechmuschel gelegt, aber Harry hörte trotzdem das Rufen und das leise Gespräch. Dann wurde die Hand entfernt, und Flesch verkündete in triumphierendem Bergener Dialekt:
    “Sie meint, Rafto hätte den Rest der Blätter gekriegt, als wir die aus dem Sortiment nahmen. Angeblich im Tausch gegen einen kaputten silbernen Füllfederhalter aus Holland. Sie hat wirklich ein Wahnsinnsgedächtnis. “
    Harry legte auf und wusste, er musste nach Bergen. Zurück nach Bergen.
    Abends um neun brannte noch immer Licht im ersten Stock der Brynsallee 6 in Oslo. Von außen wirkte das fünfstöckige Haus wie ein normales modernes Geschäftshaus mit seiner Fassade aus rotem Backstein und grauem Stahl. Und dieser Eindruck korrespondierte auch mit dem Inneren des Hauses, da die meisten der mehr als vierhundert Angestellten als Ingenieure, IT-Spezialisten, Soziologen, Laboranten, Fotografen und so weiter arbeiteten. Trotzdem handelte es sich um das” Nationale Amt zur Bekämpfung organisierter und anderer schwerwiegender Kriminalität”, das allgemein nur als

Weitere Kostenlose Bücher