Schneemann
können Sie mir glauben.”
Vetlesen nickte, und für einen kurzen Moment sah es so aus, als wollte er aus alter Gewohnheit lächeln.
Oleg knallte die Tür mit aller Wucht zu, kickte sich die Stiefel von den Füßen und rannte in den ersten Stock. Im ganzen Haus roch es frisch nach Zitrone und Seife. Er stürmte in sein Zimmer, und die Metallröhren, die von der Decke herabhingen, klirrten verschreckt, während er sich in aller Hast die Jeans auszog und eine Trainingshose überstreifte. Dann lief er wieder auf den Flur, doch als er das Geländer packte, um in großen Sätzen nach unten zu springen, hörte er durch die geöffnete Schlafzimmertür seinen Namen.
Er ging hinein und fand seine Mutter auf den Knien vor dem Bett, in den Händen einen langen Besen.
“Ich dachte, du hast am Wochenende geputzt?”
“Ja, aber nicht gründlich genug”, erwiderte seine Mutter, stand auf und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. “Wo willst du hin?” “Runter zum Sportplatz, Schlittschuhlaufen. Karsten wartet unten. Zum Essen bin ich wieder da.” Er stieß sich an der Türschwelle ab und rutschte auf Socken über das Parkett zur Treppe, wobei er den Schwerpunkt weit absenkte, wie es ihm Erik V., einer der Veteranen des Valle-Hovin-Stadions, beigebracht hatte. “Warte mal, junger Mann, apropos Schlittschuhe … “
Oleg stoppte. O nein, dachte er. Sie hat die Schlittschuhe gefunden.
Sie stellte sich in die Tür, legte den Kopf auf die Seite und sah ihn an. “Und wie sieht’s mit Hausaufgaben aus?”
“Ist nicht viel”, lächelte er erleichtert. “Die mach ich nach dem Essen.”
Er sah, dass sie zögerte, und fügte schnell hinzu: “Wie hübsch du in diesem Kleid aussiehst, Mama.”
Sie schaute an sich hinunter auf das alte hellblaue Kleid mit den weißen Blumen. Und obwohl sie ihm einen warnenden Blick zuwarf, stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen. “Vorsicht, Oleg, du hörst dich schon an wie dein Vater.”
“Echt? Ich dachte, der sprach Russisch?”
Er hatte das ohne jeden Hintergedanken gesagt, doch irgendetwas geschah mit seiner Mutter, als hätte er sie mit seiner Bemerkung erschreckt.
Er trat von einem Fuß auf den anderen. “Kann ich jetzt gehen?”
“>Ja, Sie können gehen” Katrine Bratts harte Stimme hallte von den kahlen Wänden des Fitnessraumes im Keller des Präsidiums wider. “Ich fass es nicht, dass du das wirklich gesagt hast! Warum hast du Idar Vetlesen einfach gehen lassen?”
Harry starrte in das Gesicht, das sich über seine Trainingsbank beugte. Die Deckenlampe gab ihrem Kopf einen gelbglänzenden Heiligenschein. Er atmete schwer aufgrund der Eisenstange, die quer auf seiner Brust lag. Zum Bankdrücken hatte er sich fünfundneunzig Kilo aufgelegt und gerade die Stange aus dem Stativ genommen, als Katrine in den Raum stürmte und seinen Versuch zunichte machte.
“Ich musste”, verteidigte sich Harry und schob die Stange etwas höher, so dass sie auf seinem Brustbein lag. “Er hatte seinen Anwalt dabei, Johan Krohn.”
“Ja und?”
“Tja. Krohn fing gleich mit der Frage an, was wir für Methoden anwenden, um seinen Klienten unter Druck zu setzen, schließlich sei käufliche Liebe in Norwegen gestattet. Außerdem meinte er, die Presse würde sich bestimmt für unsere Versuche interessieren, einen respektierten Arzt dazu zu bewegen, seine Schweigepflicht zu brechen.”
“Herrgott noch mal! “, rief Katrine und ihre Stimme zitterte fast vor Wut. “Es geht hier um Mord!”
Harry hatte sie noch nie die Kontrolle verlieren sehen und antwortete so sanft wie möglich.
“Aber wir können keine Verbindung zwischen dem Mord und der Krankheit der Mordopfer herstellen, ja, wir können etwas in dieser Art nicht mal glaubhaft machen. Und Krohn weiß das. Deshalb konnte ich die beiden nicht festhalten. “
“Nein, du kannst nur … da liegen und … nichts tun!”
Harry spürte sein schmerzendes Brustbein und dachte, dass sie verdammt recht hatte.
Katrine schlug die Hände vors Gesicht. “Ich … ich … Tut mir leid. Ich dachte nur … Ach, es war einfach ein verdammt komischer Tag!”
“Okay”, stöhnte Harry. “Aber kannst du mir jetzt mal mit dieser Stange helfen, ich krieg gleich keine … “
“Am anderen Ende! “, rief sie plötzlich und nahm die Hände vom Gesicht. “Wir müssen am anderen Ende ansetzen. In Bergen!” “Nein “, flüsterte Harry mit dem letzten Rest Luft, der sich noch in seinen Lungen befand. “Bergen können wir nicht als ein
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