Schneemond (German Edition)
Assistent schon vor Stunden dort hingelegt hatte. Für ein paar Sekunden war Samuel Moore unentschlossen, ob er sich mit dem Stapel Briefe beschäftigen sollte. Doch schließlich gewannen die Reste seiner alten Disziplin die Oberhand und er setzte sich, um die Post, wenn auch wiederwillig, zu bearbeiten. Mit über die Jahre verinnerlichter Routine öffnete er die Briefe und Päckchen, las sich den Inhalt – mal kurz, mal eingehender – durch und verteilte die verschiedenen Schreiben auf die Ablagekörbe am Kopfende seines Schreibtisches. Die Kuverts und einige Briefe – meist Werbung – landeten im Papierkorb, bis nur noch ein Päckchen vor ihm lag.
Moore nahm es in die Hand und betrachtete es nachdenklich.
Das braune, verknitterte Kuvert hatte offenbar eine lange Reise hinter sich. Wenn er dem Absender Glauben schenken sollte, war das Päckchen in New York von einem Verlag für medizinische Fachliteratur aufgegeben worden. Moore sagte zwar der Verlag etwas, jedoch konnte er sich nicht daran erinnern, jetzt, oder früher, schon einmal etwas dort bestellt zu haben. Er schüttelte verwundert den Kopf und zuckte schließlich mit den Schultern.
Was soll’s
, dachte er bei sich und öffnete das Kuvert. Er zog zwei dünne, kartonierte Bücher mit dem Titel:
Wege aus der Psychose, Teil I und II
von einem gewissen Arthur Smolek hervor. Zudem fanden sich noch drei CDs in dem Päckchen, die ganz offensichtlich meditative Musik enthielten, wie er aus den Hüllen schloss.
Moore las die Zusammenfassung auf dem Rücken eines der Bücher und verzog angewidert das Gesicht. Bei dem Set aus Büchern und CDs handelte es sich wohl um ein schwer esoterisch angehauchtes Werk, von dem er nun gar nichts hielt. Nie im Leben würde er für einen derartigen Schwachsinn Geld ausgeben. Er öffnete das Kuvert erneut und sah hinein, auf der Suche nach einem Hinweis, wie dieser Müll auf seinem Schreibtisch gelandet war. Tatsächlich befand sich noch ein zusammengefaltetes Schreiben in dem Umschlag, das er nun herauszog.
In diesem Schreiben, das offensichtlich vorgefertigt war, gratulierte ihm derVerlagschef zu seiner Wahl und legte ihm besonders die dritte CD wärmstens ans Herz, bevor er ihm viel Vergnügen mit den Büchern und Tonträgern wünschte, die Moore nicht bestellt hatte.
Er war verärgert über den dreisten Versuch, ihm diesen Quatsch unterzujubeln, als sein Blick auf die Unterschrift des Schriftstückes fiel – und er erstarrte.
Hochachtungsvoll – Tom Silverman.
Moore war mehrere Augenblicke lang zu keiner Regung fähig.
Er erinnerte sich an den kleinen, quirligen Agent, der sich durch sein Wissen und seine exakte Recherche seinen Respekt erworben hatte. Schließlich las er das Schreiben noch einmal durch und öffnete dann die dritte CD. In der Schachtel lag jedoch keine CD sondern eine unbeschriftete DVD. Er nahm den Datenträger heraus und bemerkte den kleinen Zettel, der unter der silbrig glänzenden Scheibe in der Hülle klebte.
DVD nur in Gerät ohne Netzanschluss abspielen
, stand darauf zu lesen. Moore sah sich plötzlich gehetzt um. Wenn Silverman einen so komplizierten Weg gewählt hatte, um ihm diese DVD zuzuspielen, konnte das nur eines bedeuten: Es befanden sich Informationen über den Corden–Marno–Fall auf dem Silberling. Moore entfernte das Netzanschlusskabel von seinem Laptop, schnappte sich das Gerät und die DVD, sowie einen Kopfhörer und verschwand damit in seiner Toilette, wo er sich einschloss.
Sein Bein schmerzte höllisch, aber Moore bemerkte es gar nicht.
Er saß auf dem geschlossenen Toilettensitz, den Laptop auf den Beinen und las zum wiederholten Male den Brief, den ihm Silverman auf die DVD gebrannt hatte. Er hatte mit diesem Brief die Sichtung der Unterlagen begonnen und starrte nun, da er sich die ganzen Aufzeichnungen durchgesehen hatte, immer noch darauf.
Lieber Dr. Moore,
dies ist die einzige Möglichkeit, die ich sehe, um Ihnen mitzuteilen, was tatsächlich geschehen ist, seit Sie bei der Explosion verletzt wurden. Ich hoffe inständig, dass es klappt und sie diese DVD erhalten. Sollte sie abgefangen werden, bin ich mit ziemlicher Sicherheit tot. Doch ich finde das Risiko ist es wert.
Schon deshalb, weil ich nicht mit diesen Schweinen über einen Kamm geschert werden will. Und ich finde, Sie haben ein Recht darauf, zu erfahren, was Frank und Prof. Anderson zugestoßen ist. Ich weiß, dass Frank Torrens Ihr Freund war und ich glaube zu wissen, was Sie für Prof. Anderson
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