Schneemond (German Edition)
das so sage, aber das Ganze erinnert mich sehr an die Stiftsbibliothek im Kloster Melk....«
Bovier klatschte erfreut in die Hände.
»Großartig Herr Seger, Sie haben mich nicht enttäuscht«
Dann trat er einen Schritt zurück und baute sich vor Ihnen – Daniel und Ben standen neben ihm, wie er erst jetzt bemerkte – in der Pose eine Museumsführers auf.
»Der Entwurf für diese Bibliothek, wie auch von einigen anderen Bauabschnitten aus dieser Zeit, stammt von Josef Prandtauer, dem bedeutenden Barockbaumeister, der sich auch für den Bau des Benediktinerstiftes zu Melk verantwortlich zeichnet. Und ich darf ohnefalsche Bescheidenheit gestehen, dass wir auf dieses Juwel sehr stolz sind.«
Herr Bovier ließ es sich nicht nehmen, ihnen eine kleine Privatführung durch die Bibliothek angedeihen zu lassen, was aufgrund seiner ungemein versierten und kompetenten Ausführungen zu einem kurzweiligen Vergnügen wurde.
»Herr Bovier, gestatten Sie eine Frage«, ließ sich schließlich Daniel vernehmen. »Wo haben Sie eigentlich die neueren Werke untergebracht? Ich sehe hier – zumindest auf Anhieb – kein Buch, dass jüngeren Datums als 1750 ist?«
Bovier hob den Finger und nickte anerkennend.
»Sehr gut, Herr Kadah, Sie haben natürlich recht. Diese Bibliothek hier...«, und er machte ein weit ausholende Geste mit seinen Händen. »....ist wertvollen und klassischen Werken vorbehalten. Natürlich besitzen wir noch eine weitere Bibliothek, mit einer Sammlung unterschiedlichster Schriften und Arbeiten aus allen Sparten und Bereichen. Diese große Sammlung – welche natürlich auch mit den modernsten Möglichkeiten der digitalen Archivierung und Onlinerecherche ausgestattet ist - befindet sich im nördlich gelegenen Anbau an diesen Zentralbau. Und ich bin ehrlich gesagt etwas erstaunt, dass Sie diese Räume noch nicht aufgesucht haben?«
Daniel zuckte mit den Schultern.
»Nun ich habe bisher meine Wünsche immer an Maria – ich meine Frau Santos – weitergegeben. Sie hat dann stets umgehend dafür gesorgt, dass ich das Gewünschte erhalten habe.«
Lukas zuckte bei der Erwähnung von Maria’s Namen leicht zusammen und spürte, wie ihm die Sehnsucht nach ihr den Hals zuschnürte.
Herr Bovier nickte verstehend. Während sich Ben und Daniel noch weiter mit dem Institutsleiter unterhielten, stand Lukas, auf das Galeriegeländer gestützt, da und sah nach unten. Und erst jetzt nahm er die langgezogene, festlich gedeckte Tafel, die in der Mitte des Raumes aufgebaut war, richtig zur Kenntnis. Viele der Gäste, die er schon in den Vorräumen gesehen hatte, standen und saßen dort unten und unterhielten sich meist angeregt, oder sahen sich, offensichtlich genau so fasziniert wie er vorher, in der Bibliothek um. Bei der Mehrzahl der Anwesenden handelte es sich um Männer in Anzug und Krawatte – und Lukas wurde schmunzelnd klar, dass nur Ben mit einem Rolli bekleidet war. Aber es waren auch einige Damen in Kostümen, oder eleganten Hosenanzügen anwesend.
Bei ihrem Anblick musste Lukas erneut an Maria denken. Wo mochte sie jetzt sein? Sie hatten sich noch nicht bei ihm gemeldet. Und plötzlich und sehr heftig wurde ihm klar, wie sehr sie ihm fehlte. Ach könnte er doch jetzt nur bei ihr sein, auch auf die Gefahr hin, dass sie ihm nicht verzieh und er sich noch eine Ohrfeige einfing. Alles das war besser, als hier zu stehen, ohnesie und nicht einmal zu wissen wo sie war.
»Kommen Sie, Herr Seger. Gehen wir nach unten zu den Anderen«
Bovier fasste ihn sanft an der Schulter und flüsterte beinahe, fast als würde er um Lukas’ Schmerz wissen. Lukas nickte und schloss sich Ben, Daniel und Bovier auf den Weg nach unten an. Unten angekommen lächelte ihm Bovier aufmunternd zu und schob ihn, mit sanftem Druck, durch die Menge.
»Verzeihen Sie, wenn ich Sie so vereinnahme, aber ich möchte Ihnen gerne einige Leute vorstellen.«
Lukas ließ ihn gewähren und fügte sich in sein Schicksal, welches das schlechteste nicht war, wie er erkannte, als ihn Bovier nach und nach mit einigen sehr interessanten Menschen bekannt machte. Bei den kurzen, aber anregenden Gesprächen, die er mit diesen Leuten führte, waren seine Sehnsüchte nach Maria für kurze Zeit verschwunden. Noch während er mit Doktor Karim Fatuso, einem Arzt aus Liberia, einige Worte wechselte – dessen schneeweißen Zähne aus seinem fast schwarzen Gesicht strahlten, immer wenn er schallend lachte, was er sehr oft tat – trat Bovier an ihn heran und legte
Weitere Kostenlose Bücher