Schneemond (German Edition)
erstaunt stehen, um einen dieser Schätze eingehender zu betrachten. Dies schien auch insofern keinen zu stören, als wenigstens dreißig Leute in den Empfangsräumen fröhlich plaudernd oder, ebenso wie Lukas, in die Betrachtung der Kunstwerke vertieft, versammelt waren und den musealen Eindruck nur noch verstärkten. Keine der Grüppchen, die sich da und dort bereits gebildet hatten, schien die jeweils anderen sonderlich wahr zu nehmen.
»Mein lieber Mann, das ist ja eine beeindruckende Sammlung«, raunte Lukas zu Ben und Daniel, die er hinter sich glaubte, den Blick gefesselt auf eine kleine Bronzestatue gerichtet.
»Schön wenn es Ihnen gefällt, Herr Seger«, antwortete ihm eine unbekannte Stimme, die offenbar einem grauhaarigen, distinguierten Herrn mit goldgefasster Brille gehörte, wie Lukas feststellte, als er sich erschrocken und hastig umdrehte.
»Mein Name ist Paul Bovier und ich bin der Leiter dieses Institutes«, fuhr der Grauhaarige freundlich lächeln fort und hielt Lukas die Hand zum Gruß entgegen, die dieser nach einer Schrecksekunde etwas verlegen ergriff.
»Es freut mich Herr Bovier, ich bin Lukas Seger und....«
Bovier legte nun auch die Linke über Lukas Hand und hielt sie so schützend fest in seinen feingliedrigen Händen, während er Lukas mit gütiger Miene anstrahlte.
»Aber das weiß ich doch, Herr Seger. Und ich bedauere es zutiefst, dass wir bisher nicht die Gelegenheit hatten uns persönlich kennen zu lernen. Ich hoffe, Sie können mir vergeben, aber ich und meine Mitarbeiter sind in diesen Tagen sehr beschäftigt....«
Noch immer hielt er Lukas’ Hand fest umschlossen. Schließlich ließ er ihn los, hakte sich bei ihm unter und zog ihn – Ben und Daniel in einigem Abstand im Gefolge – mit sich in einen weiteren Raum, von dem Lukas wusste, dass es sich um die Bibliothek handeln musste. Als sie jedoch den Raum betraten, war er bass erstaunt. In acht Metern Höhe überwölbte eine, mit bunten Fresken und Stuckaturen überfrachtete Decke den barocken Raum. Bis fast unter die Decke und über alle Wände erstreckten sich Regale, voller wertvoller Bücher und Bände, in regelmäßigen Abständen unterteilt von Pilastern, in dunkel gebeiztem Holz, mit fein gearbeiteten, kanneliertem Schaft und vergoldeten Kapitelen. In etwa zwei drittel der Raumhöhe war eine umlaufende, geschwungene Galerie angeordnet, die über zwei Spindeltreppen in den Raumecken erreichbar war und es so ermöglichte, bequem zu den Büchern in den oberen Regalen zu gelangen. Zur Unterstützung der auskragenden Galerie wuchsen bogenförmige, ebenfallsvergoldete Pflanzenornamente oberhalb der Pilasterkapitele aus dem Gebälk. Durch mehrere lang gezogene Fensteröffnungen, welche die Regale auf der Längsseite in regelmäßigen Abständen unterbrachen, fiel rotgolden das letzte Licht der Abendsonne.
Lukas war stehen geblieben und saugte die ruhige und erhabene Atmosphäre, die dieser Raum verströmte förmlich in sich auf. Langsam und aufmerksam sah er sich um und bewunderte die kunstvolle und ausgewogene Gestaltung der Bibliothek.
Dies war kein reiner Aufbewahrungsort für Bücher und Schriften.
Dies war weit mehr. Der Architekt hatte die bauliche und künstlerische Gestaltung perfekt mit dem Geist der Bücher verschmolzen. Die Fibeln und Folianten fügten sich ganz selbstverständlich in das üppige, doch gleichwohl unaufdringliche, Arrangement der Regale, Säulen und Galerien und schufen ein Flair von Weisheit und Wissen, der jeden Eintretenden sanft umfing und mit sich trug. Während Lukas mit offenem Mund den Blick durch den Raum schweifen ließ, sah ihn Bovier, zufrieden und verschmitzt grinsend von der Seite her an.
»Wie ich erfreut feststellen kann, gefällt Ihnen unsere kleine Sammlung«, flüsterte ihm der Institutsleiter leise zu.
»Das ist wunderbar«, erwiderte Lukas, immer noch fasziniert von dem Anblick der sich ihm bot. »Ganz wunderbar. Ich bin kein ausgesprochener Fan des Barock, Herr Bovier, aber diese Bibliothek ist wirklich etwas Besonderes«
Er drehte sich langsam einmal um seine eigene Achse und betrachtete das Deckenfresko eingehend. »Ich bin wirklich sehr beeindruckt....«, sagte er und legte dabei die Stirn in Falten. »Aber ich habe eine ähnliche Gestaltung schon einmal gesehen....«
Er schien angestrengt nachzudenken, während Bovier aufgeregt und erwartungsvoll wirkte.
»Die ganze Gestaltung, der Schnitt des Raumes, die Anordnung der Galerie.... Verzeihen Sie mir, wenn ich
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