Schneemond (German Edition)
teilte dem Fahrer mit, wohin er wollte. Und während der Regen heftiger wurde, verließ das Taxi mit Moore den Innenhof des Terminals, durch eine Untertunnelung, in Richtung Innenstadt.
Schon lange nicht mehr hatte er eine Mahlzeit so genossen. Im Grunde hielt er eigentlich auch nicht viel von leiblichen Genüssen, aber heute nahm er sich alle Zeit der Welt, für dieses späte Mittagessen. Er hatte ein saftiges Steak mit Kartoffeln und Salat verputzt und dazu drei – nein vier – Glas Cola in sich hineingeschüttet. Als Nachtisch hatte er sich noch zwei Stück Torte gegönnt, ein paar wahre Zuckerbomben, bei deren bloßem Anblick jeder Normalsterbliche gut und gerne zwei Kilo mehr auf den Rippen gehabt hätte und die er mit reichlich Kaffee hinuntergespült hatte.
Trotzdem er, zumindest für seine Verhältnisse, dem Genuss dieser Speisen mit unvergleichlicher Hingabe frönte, wäre es eindeutig vermessen gewesen, Goran als Gourmet zu bezeichnen. Er war nichts weiter als ein Raubtier, das sich ausnahmsweise einmal Zeit zum Fressen nahm.
Was
er hinunterschlang, war letztlich egal.
Die rege Betriebsamkeit des Flughafens, die sich ihm von seinem Platz aus, hinten in dem kleinen Restaurant im Einkaufsbereich, wie ein Theaterstück darbot, bildete einen angenehmen Kontrast zu der gelassenen Ruhe, die er, während seiner ausgiebigen Mahlzeit, zelebrierte. Goran war bereits zwei Stunden vor Moore hier in Berlin eingetroffen und das, obwohl er geraume Zeit später, als dieser aufgebrochen war. Es war ganz offensichtlich von großem Vorteil, wenn man für die richtigen Leute arbeitete – Leute, die ihren immensen Einfluss in alle Richtungen geltend machen konnten. Zudem war er bestens informiert, wo sich dieser Psychologenfutzi gerade befand.
Der Ober, ein dunkelhäutiger, schwarzhaariger Kerl, der nun gar nicht so aussah, wie Goran sich einen typischen Deutschen vorstellte, brachte ihm einen Whiskey, mit dem er sein opulentes Mahl zu beschließen gedachte. Während er, gemütlich zurückgelehnt, den Arm über der Lehne des Nachbarstuhles, den ersten Schluck mit geschlossenen Augen schlürfte, trat ein bulliger Kerl in Jeans und schwarzer Lederjacke, der Goran an wuchtiger Größe in nichts nachstand, an seinen Tisch.
»Mr. Salin«, sprach er ihn in gebrochenem Englisch an, das stark von einem slawischem Akzent durchsetzt war.
Goran öffnete die Augen und warf dem Mann, der sich jetzt auf dem Tisch aufstützte und zu Goran beugte, einen missmutigen Blick zu. Sein Gegenüber ließ sich davon jedoch nicht abschrecken und war mit Goran’s Reaktion offensichtlich zufrieden, da er einfach weitersprach.
»Er hat den Flughafen gerade verlassen und fährt mit einem Taxi Richtung Innenstadt.«
»Wohin?«, hakte Goran, kurz angebunden, nach.
»Meine Leute sind ihm auf den Fersen.«
Goran nickte. »Gut.«
Er stürzte den Whiskey hinunter, stand ohne ein weiteres Wort auf und verließ das Restaurant, während der Typ mit der Lederjacke den Ober herbei winkte und Goran’s Rechnung beglich, bevor er dem blonden Hünen, mit stoischem Gesichtsausdruck, folgte. Goran indes schlenderte ziellos durch die hektische Menschenmenge und summte unmelodisch vor sich hin, als ihn der Andere einholte und ihn wortlos zum Parkhaus führte, wo er Goran fast demütig die Beifahrertüre einer schweren, dunkelblauen Limousine aufhielt.
An diese Art zu jagen könnte er sich gewöhnen, dachte Goran bei sich, als sein Partner sich hinter das Steuer setzte und das Fahrzeug mit quietschenden Reifen aus dem Parkhaus jagte.
Moore bezahlte den Taxifahrer, stieg aus und stand etwas verloren auf dem Gehsteig, vor dem pompösen Adlon, unentschlossen, ob er hinein gehen sollte, oder lieber draußen warten. Für den Augenblick zumindest hatte es zu regnen aufgehört, so dass er sich wenigstens kurz umsehen konnte. Zu seiner Linken, die Straße hinunter, entdeckte er das Wahrzeichen von Berlin, das Brandenburger Tor. Von Scheinwerfern in fahles Licht getaucht, erschien es fast unwirklich in der Umgebung des neu gestalteten Pariser Platzes.
Moore erinnerte sich kurz daran, dass genau hier, vor dem Tor, bis vor wenigen Jahren die Mauer verlaufen war, von der diese Stadt, wie durch einen klaffenden, eiternden Schnitt zweigeteilt worden war. Er hätte nicht sagen können, was ihn mehr beeindruckte: Die geschichtliche Präsenz dieses Platzes, oder, mit welcher rigorosen Vehemenz die Investoren, Architekten und Bauschaffenden die Brachflächen des
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