Schneemond (German Edition)
kleinlaut antwortete.
»Ich weiß, Luk, aber das mit Deinem Unfall und allem was Du dann durchgemacht hast, hab ich erst vor wenigen Wochen erfahren. Wie gesagt, ich war ´ne ganze Zeit im Ausland und hab den Kontakt wohl doch etwas verloren. Als ich dann schließlich wieder zurück war und mitgekriegt habe, was Dir passiert ist, warst du schon aus Hamburg weg. Es hat einige Zeitgedauert, bis ich Dich wiedergefunden habe.«
Lukas schämte sich etwas für seinen Gefühlsausbruch.
»Schon gut, Ben, in dieser Zeit wär’ ich ohnehin kein sonderlich angenehmer Gesprächspartner gewesen. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich das jetzt schon wieder bin.«
»Wenn ich davor Angst gehabt hätte, wär’ ich nicht hier, Alter.« erwiderte Ben.
»Aber wenn’s Dich nicht zu sehr schlaucht, hätte ich gern
Deine
Version der Geschichte gehört.«, sagte er dann leise, wobei er Lukas aufmerksam beobachtete.
»Hm«, machte Lukas, »ich versuch’s...«
Dann breitete er, zum ersten mal seit dieser furchtbaren Nacht, sein Leid und seine Schmerzen vor einem anderen Menschen aus, in einer Offenheit und mit einem Vertrauen, wie er es niemals für möglich gehalten hätte. Und während er die Wunden seiner Seele in Worte zu fassen versuchte, schien der Druck in seinem Inneren langsam zu schwinden.
Und Ben hörte wortlos zu.
Lukas konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war.
Nachdem er mit der Schilderung seiner letzten fünf Lebensjahre geendet hatte, herrschte Schweigen zwischen ihnen. Kein peinliches Schweigen, wie es manchmal bei einer stockenden Konversation vorkommt, sondern eine einvernehmliche Stille, welche seine Erzählungen würdig abschloss. Die Gespräche, die Musik und die Geräusche der Betriebsamkeit des Lokals drangen nur gedämpft, wie von weit her zu ihnen durch.
Lukas saß da, die Augen auf sein Weinglas gerichtet, an dem seine Finger klebten, ohne es wirklich zu sehen und dem Nachhall seiner Worte in seinem Kopf lauschend. Ben, ihm gegenüber, sah seinen Freund mit unergründlicher Miene an.
Die junge, brünette Bedienung wagte sich zögernd an ihren Tisch, fast als hätte sie gespürt, dass sie diese beiden Männer in den vergangenen Minuten nicht hatte stören dürfen.
»Noch was zu trinken?«, fragte sie leise.
Ben hob den Kopf und sah sie freundlich lächelnd an.
»Ja, gern. Bring uns noch zwei Wein!«
Sie nickte, sichtlich beruhigt, dass mit den Beiden anscheinend doch alles in Ordnung war und verschwand, um den Wein zu holen.
»Danke«, sagte Ben schließlich an Lukas gerichtet.
Lukas hob langsam den Kopf, leicht verwirrt, da ihn Ben aus seinen Gedanken gerissen hatte.
»Was? Wofür?«, fragte er.
»Dafür, dass du mich in Dein Leben gelassen hast«, antwortete Ben.
Lukas schien ihm gar nicht richtig zugehört zu haben. Plötzlich sagte er: »Weißt Du, was komisch ist, Ben.«
»Was denn?«
»Ich habe so viele Therapiesitzungen hinter mir und habe den Unfall und das alles so oft erzählen und immer und immer wieder durchleben müssen. Aber heute – jetzt, hier bei Dir – habe ich das erste Mal wirklich das Gefühl, ein Stück weiter gekommen zu sein. Ich habe das Gefühl, dass sich jetzt endlich mal was in mir bewegt hat...«
Ben lachte.
»Tja, Alter. Ein gutes Glas Wein und ein guter Freund wirken halt doch Wunder«, sagte er, nahm sein Glas in die Hand, das die Brünette eben vor ihm abgestellt hatte und prostete Lukas zu. Jetzt lächelte auch Lukas wieder und stieß mit Ben an.
»Tut wirklich gut, dass Du wieder da bist, Mann.«
Sie nahmen beide einen kräftigen Schluck des Weines und stellten ihre Gläser wieder ab. Plötzlich schoss Lukas ein Gedanke durch den Kopf.
»Es ist wirklich schön, wieder mit einem Freund zu reden – aber deshalb haben wir uns heute Abend nicht getroffen, oder?«
»Nun«, sagte Ben, »was mich angeht, schon auch deshalb. Aber du hast natürlich Recht, ich hab Dir ja einen Job angeboten. Also, wo sind Deine Bewerbungsunterlagen?« scherzte er.
Lukas lachte. »Blödmann! Was ist denn das jetzt für ein Job?«
»Dazu muss ich etwas ausholen, Luk. Ich hab zwar so einiges von Deinem Werdegang mitbekommen, aber – was weißt Du von
mir
?«
Lukas blickte ihn überrascht an.
»Also, wenn du mich so fragst – seit wir uns nach dem Studium getrennt haben.....eigentlich gar nichts.«
»Tja, schön. Dann erfährst Du jetzt und hier, exklusiv, die Geschichte meines bewegten Lebens. Höre und staune!«
Lukas konnte nicht umhin, sich einzugestehen, wie
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