Schneemond (German Edition)
überragte er Torrens und Moore um einen halben Kopf und seine stämmige, wenn gleich nicht korpulente Figur stand seiner Größe nicht nach. Doch trotz, oder vielleicht gerade wegen, seiner Ehrfurcht gebietenden Erscheinung strahlte er eine ruhige Autorität aus.
»Chief Oldman, das ist Dr. Samuel Moore, der psychologische Spezialist, den ich erwähnt habe. Er hätte gerne mit Ihnen gesprochen.«
Oldman begrüßte Moore freundlich, wobei seine Augen jedoch wachsam blieben, wie Moore bemerkte.
»Chief, Agent Torrens hat mir erklärt, dass gestern Nachmittag die Morde hier draußen gemeldet wurden.«
»Ja Sir, das stimmt«, antwortete Oldman. »Gestern, circa zwanzig Minuten vor drei, ging bei uns ein Anruf ein von Mr. Kalohen, drüben an der Sechsundvierzig. Bei ihm war John Ukowa aufgetaucht – jeder kennt den alten Kauz hier – und hatte etwas gefaselt von einer
Schlacht
in einer Hütte auf dem Hügel und von Flammen in der Dunkelheit und so Zeug. Wir brauchten ein paar Minuten, bis uns aufging, dass hier oben etwas Schlimmeres passiert sein musste.« Oldman wurde plötzlich nachdenklich, ehe er hinzufügte: »Und das war schon seltsam.«
Moore wurde hellhörig.
»Seltsam? Wieso Chief.«
Oldman hatte den Blick etwas gesenkt und schien Moore gar nicht gehört zu haben. Als er schließlich antwortete, tat er dies leise als versuche er seine Gedanken zu ordnen.
»Wissen Sie, ich bin in dieser Gegend und diesen Wäldern hieraufgewachsen, so wie auch viele meiner Deputies und Mitarbeiter.«
Dann blickte er Moore direkt in die Augen.
»Keiner von uns hat diese Hütte je bemerkt, oder etwas von ihr gewusst, Dr. Moore. Kein einziger! Und
das
finde ich seltsam – sehr seltsam sogar.«
Kapitel 3.
D as kleine Lokal war nur halb voll, als Lukas um kurz vor sieben Uhr abends, eintraf und trotzdem summte es, wie in einem Bienenstock.
Eigentlich war er mit Ben erst um halb acht hier verabredet. Da er jedoch schon lange nicht mehr abends ausgegangen war, hatte er sich etwas eher auf den Weg gemacht, um ja nicht zu spät zu kommen. Er hatte von sich selbst eigentlich erwartet, dass ihm das lebhafte Treiben der nächtlichen Stadt auf die Nerven gehen würde. Doch jetzt, da er hier war, empfand er die Atmosphäre als eher angenehm.
Er setzte sich an einen kleinen Tisch im hinteren Teil des Lokales, von dem aus er den Raum überblicken konnte und studierte die Karte. Das Lokal war dekorativ auf Spanisch getrimmt, was durch die Musik, die aus versteckten Lautsprechern durch den Raum tanzte, unterstrichen wurde. Er ließ die Karte sinken und sah sich um. Das Publikum war ziemlich gemischt, obwohl es sich in der Mehrzahl wohl um Studenten handeln mochte. Plötzlich trat eine der Bedienungen, eine sehr hübsche, junge Brünette, mit einem schwarzen, engen T-Shirt und einer bodenlangen, roten Schürze, an seinen Tisch und zog einen Kugelschreiber aus ihren hochgesteckten Haaren, die ihr offensichtlich als Stifthalter dienten.
Er musste lächeln. Die Brünette schien anzunehmen, dass dies ihr gelte und erwiderte sein Lächeln zuckersüß.
»Hi. Kann ich Dir was zu trinken bringen.«
Lukas stutze einen kurzen Augenblick, bevor er begriff.
»Ja klar! Ich möchte einen Apfelsaft mit Wasser, bitte.«
»Apfel gespritzt, alles klar, kommt sofort.«, sagte sie und wollte sich gerade abwenden, als Lukas merkte, dass er einen mörderischen Hunger hatte.
»Äh – Moment«, rief er sie zurück und nahm die Karte auf.
Sie wandte sich wieder zu ihm und blieb, mit gezücktem Block und Stift, erwartungsvoll vor ihm stehen.
»Wie ist das Schinkenomelett mit Salat?« fragte er.
»
Riesig
.«, antwortete sie.
Lukas sah auf, in das wunderschöne Lächeln, dass sie ihm schenkte und grinste zurück. »Na, dann nehme ich das doch.«, sagte er, klappte die Karte zu und hielt sie ihr hin.
Sie schnappte sich die Karte mit einer schwungvollen Bewegung und verließ mit einem aufreizenden Hüftschwung seinen Tisch, nachdem sie ihm noch ein »Aber gern«, zugeschnippt hatte.
Was tat er denn hier eigentlich? Flirtete er da mit diesem Mädchen, dasseine Tochter hätte sein können? Er senkte den Kopf und horchte in sich hinein – es wollten sich jedoch partout keine Schuldgefühl einstellen. Er fühlte sich so gut und entspannt, wie schon seit langer Zeit nicht mehr. Er blickte auf, als das Mädchen sein Getränk vor ihm abstellte. Dann nahm er einen Schluck, lehnte sich zurück und spürte die angenehme Kühle sich in seiner Brust und
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