Schneemond (German Edition)
seinem Magen ausbreiten.
Nach einigen Minuten brachte sie ihm sein Essen. Er schlang das Omelette mit einem Heißhunger hinunter, den er nicht an sich kannte. Normalerweise aß er nicht sehr viel, da er meist allein war. Er hatte das bisher auch nicht vermisst, was sicher ein Grund dafür war, dass er in den vergangenen Jahren sehr schmal, fast hager, geworden war.
Doch offensichtlich hatte dieses bevorstehende Treffen mit Ben etwas in ihm wachgerüttelt und sein Unterbewusstsein an bessere Zeiten erinnert. Schließlich hatte er den letzten Bissen genüsslich gekaut und mit einem großen Schluck Apfelschorle hinunter gespült.
Gerade als er Besteck und Serviette auf dem Teller ablegte, betrat Ben das Lokal. Er hätte ihn sofort und überall wiedererkannt, so wenig hatte er sich verändert. Sein schwarzes Stubbelhaar und sein kräftiger Vollbart waren vielleicht mit ein paar grauen Strähnen durchzogen, die früher nicht da gewesen waren, aber seiner gemütlichen, zur Fülle neigenden Figur, hatte die Zeit nichts anhaben können.
Lukas bemerkte jedoch belustigt, dass sich sein Kleidungsstil sehr wohl geändert hatte. Er, der früher mit einer derart penetranten Konsequenz nur Jeans und Holzfällerhemden getragen hatte, tauchte jetzt mit schwarzem Rolli und Lederjacke hier auf. Nur Jeans trug er immer noch, wenngleich dunkel und aus einem scheinbar edleren Material.
Ben ließ den Blick kurz durch den Raum steifen und erspähte Lukas. Mit großen Schritten durchmaß er den Raum und stand schließlich vor Lukas, der aufgestanden war und Ben die Hand entgegenstreckte.
»Hallo Ben«, sagte er, »Schön Dich zu sehen.«
Ben grinste das breiteste Grinsen, das Lukas je gesehen hatte, ignorierte seine ausgestreckte Hand und warf ihm stattdessen die Arme um den Hals.
»Komm her Alter und lass Dich drücken.«
Lukas war von diesem Gefühlsausbruch total überwältigt und hatte schon Angst zwischen Ben’s Pranken zerquetscht zu werden, als der ihn los ließ, mit ausgestreckten Armen an den Schultern hielt und ihn von oben bis unten musterte, wie einen alten Mantel, den er gerade auf dem Speicher entdeckt hatte.
»Mann Lukas, Du bist ja nur noch Haut und Knochen.«
Da wurde Lukas bewusst, dass
er
sich sehr wohl verändert hatte.
Endlich setzten sie sich und Ben bestellte für sie beide Wein, bei derbrünetten Bedienung, die die Reste von Lukas’ Omelette mitnahm. Ben hatte Lukas’ Protest gegen den Alkohol, den er vor allem in Hinblick auf seinen Tablettenkonsum vorbrachte, mit einer wegwerfenden Handbewegung abgetan.
»Halt die Beine still, Luk. Wenn Du besoffen bist, fahr ich Dich halt nach Hause. Aber zu einer vernünftigen Wiedersehensfeier gehört ein guter Tropfen Wein. Basta!«
Lukas fand sich schmunzelnd in sein Schicksal und stieß mit Ben auf ihr Wiedersehen an. Es war als hätte es die Jahre seit ihrem Studium hier in München nicht gegeben, so vertraut und wohltuend war ihm die Anwesenheit seines alten Freundes. Ben holte ein paar seiner Witze aus seiner schier unergründlichen Witzsammlung hervor, für die er in Studienzeiten berühmt und berüchtigt war und Lukas konnte seit vielen Jahren wieder von Herzen lachen.
»Schön, Dich wieder ein bisschen fröhlich zu sehen, Alter.«, bemerkte Ben zwischen zwei Schlucken Wein.
Lukas sah ihn an.
»Wie meinst Du das?«, fragte er.
Ben wurde etwas ernster, beugte sich vor und sah Lukas aus seinen braunen Augen direkt an, während er sich, mit verschränkten Armen, auf die ächzende Tischplatte abstützte.
»Ich hab Dir damals gesagt, dass ich Dich im Auge behalten werde, Luk, und das hab ich auch getan. Ich weiß, was Dir passiert ist, was Du alles durchgemacht hast. Ich weiß das von Deiner Frau und Deiner Tochter und es tut mir sehr, sehr leid.«
Er griff über den Tisch und legte seine Hand auf Lukas Unterarm.
In Lukas Kopf ging gerade alles durcheinander.
»Aber, wie... Ich, meine..... Du....
Ich habe nie mehr was von Dir gehört
?“
Ben zog seine Hand zurück und lehnte sich nach hinten.
»Ich war viel unterwegs, Luk, viel im Ausland und so. Aber ich habe immer versucht mitzukriegen, was zu Hause los ist. Und schließlich hast Du eine Karriere hingelegt, die in der Branche nicht ganz unbemerkt geblieben ist.« Ben lächelte. »Ich war richtig stolz auf dich, Alter.«
»Verdammt Ben«, erwiderte Lukas mit Tränen in den Augen. »Es hat Tage gegeben, da hätte ich einen guten Freund wirklich brauchen können.«
Ben schien betroffen, als er
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