Schneemond (German Edition)
Weisheit und jede einzelne Falte und graue Strähne erschien hart erworben, im Laufe eines langen, harten Lebens.
Plötzlich bemerkte er, dass der alte Indianer seinen Gesang beendet hatte und ihn, ruhig dasitzend, aus klaren Augen musterte.
»Guten Tag, ich bin Dr. Samuel Moore.«, sagte er.
»Ja, Söhnchen, das bist Du wohl.«, erwiderte Ukowa mit einem verschmitzten Lächeln. Moore musste ebenfalls lächeln.
»Nun, Sir, wie ist Ihr Name?«
Der Alte legte den Kopf leicht zur Seite.
»Was denkst Du denn, wie ich heiße, Söhnchen?«, fragte er unschuldig.
»Ich denke, Sie heißen John Ukowa«, erklärte Moore. »Das hat man mir jedenfalls gesagt.«
Der Alte hielt Moore mit seinem Blick eisern fest. »So, hat man das? Der Name ist doch recht gut und schließlich nennen mich die meisten so. Also genügt er vorerst auch für Dich.«
Moore stutze. »Soll das heißen, das ist nicht Ihr richtiger Name? Wie lautetder denn?«
Die Augen des Alten verengten sich etwas. »Warum sollte ich Dir das sagen?«
Moore blieb gelassen. »Warum nicht?«, fragte er zurück, »Schließlich habe ich Ihnen meinen Namen ja auch gesagt.«
Ukowa nickte. »Ja, das hast Du. Ihr geht sehr leichtfertig mit solchen Dingen um, oder? Namen bedeuten Euch nicht viel.«
»Wen meinen sie mit
ihr
?«, fragte Moore.
Ukowa legte den Kopf leicht schräg und erwiderte Moore’s Blick unumwunden fest. »Nun, ihr Weißen. Ihr schätzt so etwas wie Namen nicht sehr hoch ein, oder?«
Moore dachte kurz nach. »Doch, sicher. Unser Name ist ein Teil von uns. Er sagt Anderen, wer wir sind.«
Der Indianer lehnte sich leicht nach vorne.
»Ach, und wer
bist
Du Dr. Samuel Moore?«
»Ich bin Psychologe«, antwortete ihm Moore.
Ukowa lächelte tiefgründig. »Nein, Söhnchen, ich will nicht wissen, was Du kannst oder weißt, oder wo Du wohnst. Ich will wissen, wer Du
bist
?«
Moore überlegte. »Sie wollen mir damit sagen, dass ein Name für Sie mehr bedeutet als für mich?«
»Dein Name ist Teil Deiner Seele. Er sagt Dir woher Du kommst und wohin Du gehst. Er zeigt Dir wo Dein Platz in Dieser und in der nächsten Welt ist. Er zeigt Dir Dein Totem. Dein Name, Dr. Samuel Moore, ist einer der größten Schätze, den Du besitzt – und entsprechend sorgsam solltest Du damit umgehen.«
Ukowa hatte sehr gestenreich und eindringlich gesprochen und Moore spürte, dass dieser Mann, obwohl er äußerlich alt und zerbrechlich wirkte, eine große innere Kraft in sich barg.
»Ich glaube gerne, dass in Ihrer Kultur so mit Namen umgegangen wird«, erklärte Moore schließlich. »Bei uns ist das heute anders. Familiennamen bestehen von Seite des Vaters oder auch der Mutter und Vornamen werden oft aufgrund ihres schönen Klanges ausgewählt und haben deshalb – gewissermaßen als Zufallsprodukt – oft keinen Zusammenhang mehr mit seinem Träger.«
Der alte Indianer wiegte sanft den Kopf.
»Ein Name und die Person, die ihn trägt, sind füreinander bestimmt und finden oft über viele verschlungene Wege zusammen. Nichts geschieht ohne Sinn, Dr. Samuel Moore....«
Und leise fügte er hinzu, »...deshalb denk darüber nach, was Dein Name bedeutet!«
Die Worte des Alten brachten etwas tief in Moore zum Klingen.
Und wieder musste er sich ermahnen, nicht den Gefühlen, die er in seinem Innern zu spüren glaubte, nachzugeben, als ihm plötzlich aufging, dass ihm das Gespräch von Ukowa sanft und unmerklich, aber sehr bestimmt aus der Hand genommen worden war.
Und das ärgerte ihn!
Schließlich war
er
hier der Psychologe und Ermittler und John Ukowa war der Verdächtige, dem
er
durch eine geschickte und überlegte Gesprächsführung sein Wissen zu entlocken hatte. Er kam sich vorgeführt und überrumpelt vor, wie ein Grünschnabel und der Ärger über seine eigene Unachtsamkeit war so groß, dass er mehrere Sekunden brauchte, um seine innere Fassung zurück zu erlangen.
»Gut Mr. Ukowa«, sagte er schließlich etwas reserviert, »ich werde darüber nachdenken. Es gibt jedoch etwas sehr viel wichtigeres, als unsere Namen, worüber ich mit Ihnen sprechen möchte.«
John Ukowa betrachtete ihn aufmerksam und mit unergründlicher Miene. »Du sprichst von den beiden Frauen!«, stellte Ukowa fest.
»Ja«, erwiderte Moore, »ich spreche von den beiden Frauen. Bevor wir uns jedoch darüber unterhalten, möchte ich Sie gerne um Ihre Erlaubnis bitten, unser Gespräch auf Band aufzuzeichnen.«
Er nahm das Diktiergerät in die Hand und hielt es Ukowa fragend entgegen, der
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