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Schneemond (German Edition)

Schneemond (German Edition)

Titel: Schneemond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kohlpaintner
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und atmete schwer ein und aus.
    »In der ursprünglichen Version der Geschichte erkannte Cabracán nicht, dass dies ein Zauber war und das Einstäuben des Wildes seine Umhüllung durch die Erde, nach seinem Tod, symbolisierte. Als sie den Berg schließlich erreichten, schwand seine Macht und er fiel tot zu Boden. Die göttlichen Zwillinge fesselten ihn und begruben ihn in der Erde – Sieg auf der ganzen Linie.«
    Wieder hielt Torrens inne, als müsste er sich ein letztes Mal darüber klar werden, ob er Moore den Rest seiner Erklärung tatsächlich zumuten konnte. Doch endlich entschied er für sich, dass er jetzt schon zu weit draußen war, um den Hafen noch unbeschadet erreichen zu können.
    Also fuhr er in seiner Erzählung fort.
    »Doch nicht so in der Geschichte, die mir meine Großmutter an diesem Abend erzählte. Hier war die Macht Cabracán’s viel größer, als die Brüder sich das vorstellen konnten. Durch ihren läppischen Zauber verrieten sie dem Zerstörer nur, mit wem er es zu tun hatte und er wiegte die ahnungslosen Zwillinge in Sicherheit, bis sie den Berg erreichten. Und dort am Fuße des Berges offenbarte er sich ihnen. Er zeigte ihnen seine wahre Gestalt und Hunahpú und Ixbalanqué wurde schlagartig klar, dass sie gegen diesen Dämon nichts ausrichten konnten. Mit dem Rücken zu den steil aufragenden Felsen stellten sie sich trotzdem zum Kampf. Doch Cabracán, vom Mut der Brüder völlig unbeeindruckt, griff an wie ein wildes Tier. Wo seine Klauen Boden, Steine oder Baum berührten, zerfiel alles zu Staub und seine Abdrücke brannten sich tief ein.«
    Samuel Moore starrte Agent Torrens ungläubig an, doch dieser bemerkte sein Gegenüber gar nicht mehr, so vertieft war er in seiner Erzählung.
    »Hunahpú und Ixbalanqué warfen sich ihrem Angreifer mit ihrer ganzen Kraft entgegen, doch der schleuderte sie beiseite, wie der Wind ein welkes Blatt. Mit seiner machtvollen Boshaftigkeit stieß er seine Krallen in ihre Brust und die Herzen der Brüder verdorrten in wenigen Augenblicken zu Asche in seinen Händen.«
    Moore hatte einige Sekunden gebraucht um zu realisieren, was ihm sein Partner mit dieser Geschichte sagen wollte.
    »Frank, Moment mal... Wollen Sie damit sagen....? Sie meinen, diese
Abdrücke

    Frank Torrens nickte nachdrücklich.
    »Ja, Sam, die Bilder dieser Geschichte waren damals alle im Kopf des kleinen Jungen, der ich war. Und ich sage Ihnen eines, diese Spuren, die Cabracán bei seinem Kampf gegen die göttlichen Zwillinge hinterlassen hat, habe ich mir schon damals mehr und genauer vorstellen können, als alles andere – und sie haben mir als kleiner Junge eine gewaltige Gänsehaus beschert.«
    Torrens atmete jetzt schwer und Anstrengung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    »Und es sind
exakt
die gleichen Spuren, die wir am Tatort festgestellt haben, das schwöre ich Ihnen, bei der heiligen Mutter Maria. Und Ich kann Ihnen sagen, mein Freund, dass ich zu Tode erschrocken bin, als ich diese Abdrücke in der Hütte wirklich und tatsächlich gesehen habe.«
    Moore konnte nichts erwidern und so herrschte eine Weile Stille zwischen ihnen, bis Frank Torrens schließlich noch anfügte:
    »Vielleicht können Sie jetzt ahnen, Sam, wo mein Problem liegt....«
    Während Torrens wortlos aufstand und sich einen Drink aus der Minibar des Zimmers holen ging – einen Drink, den er jetzt ganz offensichtlich gut gebrauchen konnte – versuchte Moore, Abstand zu gewinnen, von dieser unglaublichen Geschichte, die ihm sein Partner da gerade zugemutet hatte. Er hatte nicht vor, die Einladung zu dieser Reise in die Hysterie, die ihm Torrens angeboten hatte, anzunehmen. Frank Torrens nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Glas und ließ sich schwer in den Sessel neben Moore fallen.
    »Nun Frank«, begann Moore vorsichtig und sondierend, jetzt ganz Psychologe und Therapeut, »Ich sehe jetzt tatsächlich, wo Ihr Problem liegt.«
    Frank blickte ihn müde an. »Ja, aber Sie halten die ganze Geschichte für Quatsch.«
    Er winkte ab, bevor Samuel etwas erwidern konnte. »Lassen Sie es gut sein, Sam. Ich würde genauso reagieren, wenn es mich nicht selbst anginge. Aber es geht mich nun mal an.«
    »Nun Frank, Sie wissen doch aus Ihrer eigenen, beruflichen Erfahrung,dass die Dinge nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen und dass unsere Erinnerungen nicht immer mit den tatsächlichen Geschehnissen übereinstimmen. Ganz im Gegenteil, das Gehirn stellt manchmal Querverbindungen und Assoziationen her,

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