Schneemond (German Edition)
– und vom Schneemond der bleich und kalt über diesem verdammten Land hing und über den Bildern, die ihn so quälten.
Das alles war wie eine tosende Flut aus ihm herausgebrochen, unaufhaltsam und gewaltig.
Er war nicht mehr in der Lage gewesen,
sachlich
oder
objektiv
zu sein. Als sie einmal Zugang zu ihm gefunden hatte, waren seine ganzen Qualen und Leiden aus den tiefsten Tiefen seiner Seele emporgestiegen, hatten sein Herz überschwemmt und waren über seine Lippen gesprudelt, wie ein Wildwasser.
Es war ihm plötzlich völlig egal gewesen, ob Maria ihm glauben würde, oder ihn für verrückt hielt – ja, ob sie ihn überhaupt verstand.
Diese Träume mussten raus. Er hatte sie nur noch abladen, hinausschreien,
loswerden
wollen. Als er endlich geendet hatte und sich ihrer Anwesenheit wieder richtig bewusst wurde, hatte er langsam den Kopf gehoben und sie angesehen – und verwundert erkannt, dass sie
weinte
. Unsicher und mit zittrigen Händen hatte er ihr die Tränen von den Wangen gewischt, bis er sich endlich getraut hatte, sie leise anzusprechen.
»Warum weinst Du, Maria?«
Sie hatte ihn angesehen, mit einem geheimnisvollen, tiefen Glanz in ihren Augen.
»Weil Dein Weg noch lange nicht zu Ende ist.«
Obwohl er diese Antwort überhaupt nicht verstand und nicht den Hauch einer Ahnung hatte, was sie ihm damit hatte sagen wollen, waren ihm diese Worte doch so richtig und wahr erschienen und er war plötzlich von einer tiefen Ruhe und Kraft erfüllt gewesen.
Langsam war er näher zu ihr gerückt, hatte sie sanft in den Arm genommen und sie zärtlich geküsst. Ihre Lippen hatten sich berührt, zart wie ein warmer Windhauch und sie hatte ihren Mund leicht geöffnet. Mit der Spitze seiner Zunge hatte er die ihre liebkost und war ganz in dieser wundervollen Berührung, die nur ihnen beiden gehörte, aufgegangen.
Nach diesem innigen Kuss waren sie sich lange Zeit in den Armen gelegen und hatten kein Wort mehr gesprochen. Und das erste Mal in seinem Leben, das aller erste mal, hatte er sich
vollständig
gefühlt.
Schließlich hatte sie ihn mit der Morgendämmerung verlassen.
Und so saß er noch immer, tief in Gedanken versunken, auf der Couch, alsdie ersten Sonnenstrahlen in das Zimmer fielen. Und er fühlte sich auf eine Art und Weise mit ihr verbunden, die weit über Freundschaft, Zuneigung und Begehrlichkeit hinausging. Für einen kurzen Augenblick konnte er die Verflechtung ihrer Leben mit jeder Faser seines Seins spüren, als ihre Worte wie ein Echo in seiner Erinnerung widerhallten.
»
Weil Dein Weg noch lange nicht zu Ende ist
.«
Maria saß, die Arme um die angezogenen Knie geschlungen und an die große, alte Eiche gelehnt, auf dem, mit braunen Blättern übersäten Waldboden und spürte die kalten, feuchten Nebelfetzen in ihrem Gesicht, die durch den morgendlichen Wald zogen. Sie summte kaum hörbar eine Melodie und wiegte sich mit geschlossenen Augen dazu.
Plötzlich knackte nicht weit hinter ihr leise ein Zweig, doch sie schien nichts zu hören.
Als ein Schatten über ihre Schulter fiel, öffnete sie müde ihre Augen, drehte sich aber nicht um. Lange herrschte Schweigen zwischen Maria und der Frau die hinter ihr stand.
Beide blickten in die Ferne und als Maria die Augen schloss und in einer uralten und fremden Sprache zu singen begann, stimmte die Frau in einer anderen Tonlage ein und die tiefe Magie dieses Gesanges zog immer weitere Kreise.
Schließlich ging die Frau in die Hocke und umarmte Maria, die ihrerseits die Hand der Anderen ergriff und plötzlich schluchzte.
»Er ist es«, sagte Maria leise.
»Es gibt keinen Zweifel. Er ist es.«
»Ich weiß«, antwortete die Andere ihr.
Kapitel 11.
M it jeder Minute bedrückte ihn die Kälte dieses Raumes mehr und mehr. Torrens hatte sich vor wenigen Minuten verabschiedet, nachdem er einen Anruf aus dem Policedepartement, von Agent Silverman, erhalten hatte. Und plötzlich war ein wenig des alten Feuers in seine trüben, glasigen Blick zurückgekehrt, als er das Mikrofon des Handys mit der Hand abdeckte, Moore ansah und sagte:
»Wir haben sie identifiziert, Sam!«
Dann wechselte er noch einige Worte mit dem Anrufer, drückte schließlich auf eine Taste, um das Gespräch zu beenden und steckte das Handy wieder in die Tasche.
»Wir haben Namen zu unseren Opfern. Ich fahre ins Departement und sehe mir das mal an. Kommen Sie mit, Sam?«
Moore schüttelte den Kopf, um die Frage zu verneinen. Aber auch aus Erstaunen, über die plötzliche
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