Schneemond (German Edition)
schüttelte ihn durch, bis er weinend schrie und stöhnte.
Und gerade als er glaubte, blutrot glänzende Augen aus dem dunklen Dunst um ihn herum auf ihn zukommen zu sehen und ein dumpfes, gefräßiges Knurren zu hören, wurde er fortgerissen von diesem seltsamen Ort und verging in einem Meer von Schmerz und Pein.
»Lukas! Lukas! Um Gottes Willen, bitte stirb mir hier nicht.....«
Daniels Stimme schien viel weniger real zu sein, als der Raum aus dem er gerade zurückgekehrt war.
»Oh bitte atme, atme.....!«
Lukas war erstaunt über die Panik in Daniel’s Stimme. Doch bevor er sich fragen konnte, was eigentlich geschehen war, kamen die Schmerzen zurück. Aber jetzt waren sie konkreter und schließlich merkte er, dass ihm etwas – oder jemand – schwer auf der Brust lag und ihm immer wieder den Brustkorb schmerzlich zusammenpresste.
»Atme, Mann, atme.... Tu mir das nicht an, bitte....!«
Schließlich riss Lukas den Mund auf und sog die Luft in seine brennenden Lungen. Als er es endlich schaffte, die Augen zumindest einen Spalt weit zu öffnen, erkannte er, dass Daniel, schwer schnaubend und schweißüberströmt, rittlings auf ihm saß und beide Arme auf seinem Brustkorb gestützt hatte.
»Gott sei Dank...«, keuchte er immer wieder.
»Gott sei dank....«
»Was... ist... los?«, stotterte Lukas.
»Ich weiß nicht genau«, erzählte Daniel, »ich hab mir die Bilder angesehen und Du bist hier her gegangen. Ich habe nur gesehen, dass Du die Wand berührt hast und dann bist Du wie vom Blitz getroffen umgefallen. Ich bin sofort zu Dir gelaufen, aber Du hast nicht mehr geatmet und hattest keinen Puls mehr....«
Lukas versuchte angestrengt den Worten von Daniel zu folgen und sich zu erinnern.
»Ja«, sagte er schließlich, immer noch hörbar schwach, »jetzt weiß ich’s wieder. Der Kreis....«
Daniel sah ihn verständnislos an.
»Welcher Kreis?«
»Na das Symbol dort an der Wand, dieser Kreis. Ich habe ihn berührt und dann...«
»Welcher Kreis?«, fragte Daniel noch einmal.
Lukas wandte langsam den Kopf und deutete zur Wand hinüber.
»Na der Kreis....«
Doch weiter kam er nicht.
Dort wo vorher der Kreis mit seinen sieben Feldern in den schillerndsten Farben geprangt hatte, war jetzt nur noch rauer Fels zu sehen.
Der Weg zurück wurde zur Tortur. Nachdem Lukas sich wieder einigermaßen erholt hatte, gingen Daniel und er zurück, durch die große Höhle, bis zum Abhang, über den sie nach unten gekommen waren. Aber schon am Fuß des Hanges war Lukas so geschwächt, dass er sich nicht mehr aus eigenen Kräften auf den Beinen halten konnte. Er atmete schwer und stoßweise und der kalte Schweiß rann ihm in Bächen über den Körper. Daniel versuchte ihn, so gut als möglich, zu stützen. Doch der schmale Weg den Hang hinauf war so kaum zu bewältigen. Hatten sie für den Abstieg höchstens fünfzehn bis zwanzig Minuten gebraucht, so plagten sie sich jetzt mehr als zwei Stunden lang nach oben.
Daniel war verzweifelt.
Er schob und zog Lukas auf allen vieren weiter. Er machte ihm ständig Mut und versuchte ihn mit Bitten und Flüchen anzuspornen. Doch Lukas schien immer mehr einzubrechen und Daniel wurde von Minute zu Minute panischer. Was, wenn Lukas wieder umfallen würde, wie unten in der Höhle? Er glaubte nicht, dass er ihn noch mal ins Leben zurückquälen könnte.
So redete er bei jeder Pause, die Lukas alle paar Meter einlegen musste, beruhigend auf seinen Freund ein, während er immer wieder seinen Puls kontrollierte. Aber ein Herzstillstand schien sich nicht abzuzeichnen. Ganz im Gegenteil – Lukas’ Herz raste und sein Blick trübte sich zunehmend ein. Endlich erreichten sie die Eisentüre, die Daniel jetzt vorkam, wie das Tor in eine andere Zeit.
Mit Mühe schleppte er seinen Freund hindurch und legte ihn neben dem Durchgang zum nächsten Raum ab. Mittlerweile wurde Lukas Körper von Fieberschüben durchgeschüttelt und er hatte begonnen zu phantasieren. Daniel versuchte es ihm mit den Rucksäcken und seiner Jacke so bequem wie möglich zu machen. Er wusste genau, dass er ohne fremde Hilfe keine Chance hatte, Lukas lebend hier heraus zu bringen.
»Bleib ruhig hier liegen, Lukas. Ich werde Hilfe holen«, erklärte er seinem Partner, obwohl er vermutete, dass seine Stimme nicht mehr zu ihm durchdrang. Dann machte er sich auf den Weg und hetzte so schnell wie möglich durch die Keller nach oben, immer mit der Angst im Nacken, dass er zu spät kommen würde. Und obwohl er weniger als zehn
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