Schneemond (German Edition)
Raum.
Nun kamen sie erheblich langsamer voran, was zum einen daran lag, dass ihr Gesichtsfeld durch die Lichtkegel der Lampen begrenzt wurde und sie auf den Böden, die jetzt wirklich nicht mehr viel mehr, als grob behauene Steinflächen waren, höllisch aufpassen mussten. Zum anderen war es aber einfach Daniel’s wachsender Euphorie zuzuschreiben.
»Mensch Lukas«, sagte er immer wieder leise und jetzt mit Ehrfurcht in der Stimme, »dieser Bereich ist
uralt
.«
Er ließ seine Hand über die nur teilweise bearbeiteten Wände gleiten, die aus dem Fels heraus zu wachsen schienen. Auch Lukas betrachtete diesen Ort mit großen Augen, doch gingen ihm dabei ganz andere Dinge durch den Kopf.
Das zu vermessen, wird eine Schweinearbeit
, dachte er bei sich. Doch neben diesen, rein profanen, Überlegungen machte sich langsam eine unbestimmte, spannungsvolle Erwartung in ihm breit. Aber noch bevor er sich näher mit diesem Gedanken beschäftigen konnte, ja noch bevor er ihn sich überhaupt so richtig eingestand, unterbrach ihn Daniel in seinem Grübeln.
»Ich garantiere Dir Lukas. Diese Räume hat seit sicher zweihundert Jahren kein Mensch mehr betreten.«
»Woher willst Du das wissen?«, fragte Lukas erstaunt.
»Na schon die anderen Räume vorher wurden ja kaum mehr genutzt, das hat man doch gesehen. Aber hier.... Spürst Du das nicht? Diese Atmosphäre von Reinheit und Erhabenheit...... Das ist unglaublich.«
Lukas blieb stehen, ließ den Lichtkegel seiner Lampe langsam über die Felsenwände und Decken gleiten und spürte Daniel’s Eindrücken nach. Und tatsächlich. Er konnte nicht umhin, sich einzugestehen, dass auch ihn etwas anrührte an diesem Ort, das er sich nicht erklären konnte. Sie gingen schweigend weiter und standen plötzlich vor einem steil abfallenden, mit großen Steinen übersäten Hang, der zu ihren Füßen in die Tiefe führte. Gerade noch in Reichweite ihrer Lampen führte dieser
Weg
rechts um die Kurve und verschwand aus ihren Blicken.
Lukas und Daniel sahen sich an.
»Und?«, fragte Daniel
»Weiter oder zurück?«
Lukas sah auf seine Armbanduhr und zuckte die Achseln.
»Noch nicht so spät. Ich würde sagen weiter.«
Daniel grinste breit und zufrieden.
»Gut der Mann. Das ist der wahre archäologische Geist...«
Damit machten sie sich langsam an den Abstieg. Doch zu ihrem Erstaunen stellten sie schnell fest, dass der Abstieg über diesen Geröllhang weit wenigerbeschwerlich und gefährlich war, als sie vermutet hatten. Zwischen den großen Steinen zog sich, verschlungen, ein schmaler, sandiger Pfad hin, der zwar kaum einen halben Meter breit war, so dass sie hintereinander gehen mussten, ansonsten jedoch ein problemloses Fortkommen ermöglichte. Während des Abstieges schaute auch Lukas zunehmend erstaunt um sich.
Sie waren jetzt eindeutig in einer Höhle tief im Berg, die keinerlei Spuren menschlicher Bearbeitung mehr aufwies und diese Höhle wurde immer größer. War dies wirklich ein Ort, der bewusst von den ersten Baumeistern, die hier tätig waren, in die Anlage einbezogen worden war? Lukas’ Schritt wurde bei diesen Überlegungen immer langsamer, so dass Daniel ihm plötzlich ein Stück voraus war. Als er schließlich erkannte, wie sehr er trödelte, ging er schneller und bemerkte erst nach einigen Metern, dass sie offensichtlich den Grund der Höhle erreicht hatten.
Er sah sich um und bemerkte Daniel, der noch ein Stück entfernt stehen geblieben war und auf eine der Wände starrte. Lukas gesellte sich zu ihm und blickte zum Höhlendach hinauf, das sich jedoch so hoch über ihnen wölbte, dass es im Licht seiner Lampe kaum zu erkennen war.
»Mann, Daniel. Das ist ganz schön beeindruckend, was?«
Doch Daniel antwortete ihm nicht. Lukas wandte sich zu seinem Freund um und sah Daniel, den Mund offen und die weit aufgerissenen Augen immer noch auf die Wand vor ihm gerichtet, da stehen.
Lukas folgte Daniels Blick und entdeckte –
Bilder
.
Doch anders als Daniel war ihm die Tragweite dieser Entdeckung
nicht
bewusst. Und während er noch auf die Wand sah, gefangen von den leuchtenden Farben der Malereien, hörte er plötzlich Daniel neben sich leise und mit belegter Stimme aufstöhnen.
»Gott der Allmächtige.......«
Lukas war etwas verunsichert, ob Daniel’s Reaktion.
»Ist das alt?«, fragte er, mehr um irgendwas zu sagen, das diese schwelende Spannung lösen könnte, als wirklich an der Beantwortung seiner Frage interessiert.
»Das
ist
alt, Lukas!«, erwiderte Daniel,
Weitere Kostenlose Bücher