Schneenockerleklat
verriet.
»Halt den Mund!«, fuhr sie ihn an. Um dann in beruhigendem
Tonfall fortzufahren: »Warten wir ab, was geschehen wird. Krach machen und an
die Polizei ausgeliefert werden können wir immer noch. Aber vielleicht fällt
uns ja etwas Besseres ein!«
*
Am Kommissariat in der Wattgasse hatten bereits
die Bachlers auf ihn gewartet, was Palinski ihnen hoch anrechnete. Richtig
überrascht war der notorisch Unausgeschlafene aber von der Anwesenheit Tante
Anitas.
Ja, tatsächlich, diese schreckliche, dumme alte Frau hatte
sich anscheinend doch noch besonnen und ihre Anzeige zurückgezogen. Sie hätte
das Sparbuch wiedergefunden und überhaupt, der liebe Junge, dieser Mario,
gehörte doch fast zur Familie. Dabei blickte sie ihn an, also, wenn Blicke
töten könnten.
Bei aller Erleichterung – Palinski hatte zwar nicht ernsthaft
mit Schwierigkeiten gerechnet, aber man konnte ja nie wissen – war er doch
fuchsteufelswild auf dieses böse Weib. Immerhin hatte sie ihn gut vier Stunden
Schlaf gekostet, etwas, das in seiner aktuellen Situation wesentlich wichtiger
war, als es landläufig klingen mochte.
Apropos wesentlich wichtiger: Palinski hatte ganz vergessen,
wie es Albert jetzt ging. Offenbar war er ja inzwischen wieder zu Hause, sonst
hätte Tante Anita ja zweifellos etwas gesagt.
Ein Gutes hatte die Fahrt nach Wien aber doch. Da er nun
schon hier war und ihm noch zwei Stunden bis zur Abfahrt des Zuges blieben,
wollte er rasch auf einen Sprung in seinem Büro vorbeischaun. Immerhin war er
vor drei Tagen das letzte Mal da gewesen. Drei Tage, da konnte in seinem
Business schon einiges vorgefallen sein.
Als ob die Wiener Verkehrsbetriebe es geahnt und Palinskis
heutige Fahrtroute vorhergesehen hätten, hatten sie die Buslinie 10 A durch die
Wattgasse geführt und weiter über Gersthof, die Peter-Jordan-Straße bis nach
Heiligenstadt.
Und nachdem Mario beim Haus Döbling den Bus verlassen hatte,
waren es noch knapp fünf Minuten zu Fuß bis zum Institut für Krimiliteranalogie
gewesen.
Als Palinski das Haus 15 in der Döblinger Hauptstraße
erreichte, stand davor ein Rettungsfahrzeug mit rotierendem Blaulicht. Wens da
wohl wieder erwischt haben mochte?, ging es ihm durch den Kopf. Hoffentlich
niemanden, den er kannte.
Genau in diesem Augenblick ging die rückwärtige Türe des
Wagens auf, und Harry Bachler sprang heraus, Palinskis Sohn.
Der elastische Sprung sowie der erkennbar gesunde
Gesamteindruck, den der Bub machte, milderten die plötzlich aufgekommene
Beklemmung, Harry könnte etwas passiert sein. Also gesundheitlich und so,
verstand sich.
»Was machst du denn hier?«, wollte der überraschte Palinski
wissen. »Ich dachte, du bist mit Tina bei Silvana zum Skilaufen. Ist kein
Schnee in Bozen?«
»Hallo Vater«, begrüßte ihn der Filius, »ich bin früher weg.
Die beiden Weiber sind mir auf die Nerven gegangen. Und Fritz«, das war
Silvanas Mann, »war nicht da. Er hatte einige Tage in Rom zu tun. Und du, hast
du schon genug vom ›Zauberberg‹? Übrigens, das ist Rudi Osbacher, ein
ehemaliger Schulkollege.« Er deutete auf den etwas dicklichen Rettungsfahrer.
»Rudi hat sich diese ausrangierte Rettung gekauft, fast geschenkt übrigens, und
will sie zu einem Wohnmobil umbauen. Super, was?«
Palinski hatte Rudi zugenickt und umgekehrt. Also das war
passiert. Wahrscheinlich musste nun damit gerechnet werden, dass Harry früher
oder später, Palinski hätte eher auf früher getippt, ebenfalls mit dem Wunsch
nach so einem Vehikel ankommen würde. Obwohl, ihm kam da so eine Idee.
»Ist der Wagen noch fahrtauglich?«, wollte er von Rudi
wissen.
»Na klaro, Herr Bachler«, meinte Harrys Bekannter fröhlich.
»Die Winterreifen sind sogar noch fast neu.«
»Und befindet sich auch so eine Liege hinten drinnen?«,
forschte Palinski weiter.
»Klaro, Herr Bachler«, das Klaro ging Mario jetzt schon
langsam auf den Wecker, ebenso das mit dem Nachnamen.
»Übrigens, ich heiße nicht Bachler, sondern Palinski.« Er
versuchte, die Richtigstellung nicht zu streng klingen zu lassen. »Harry wird
Ihnen gerne erklären, warum das so ist. Jetzt aber etwas anderes: Haben Sie
heute Vormittag Zeit? Und haben Sie Lust, sagen wir, 100 Euro zu verdienen?«
»Klaro, Herr Bachl…, Herr Baschinski, an Geld bin ich als
Student der Wirtschaftswissenschaften immer interessiert!« Er lachte und das
durchaus sympathisch. »Und um was geht es?«
Palinski und Rudi
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