Schneenockerleklat
angesprochen hat!« Sie sah Florian fragend an. »Ich möchte
wissen, was der hier verloren hat?«
Ob es professionelle Intuition war oder schlichte private
Neugierde, die den jungen Mann weiterbohren ließ, würde ewig ein Geheimnis
bleiben. War schließlich aber auch völlig egal.
»Was wollte er denn von dir?«, entfuhr es Florian, dem der
Kerl irgendwie bekannt vorkam. Irgendwo musste er ihn schon mal gesehen haben.
»Ach, nichts Besonderes«, erwiderte Carol, »oder doch. Je
nachdem, wie man die Sache sehen will. Mister Mansford hat mir ein Angebot für
meine Anteile an ABC Publishing gemacht, das ist der Verlag meines Vaters. Also
eigentlich der ganzen Familie«, korrigierte sie. »Denn je elf Prozent gehören
Mutter und uns drei Mädchen, 32 Prozent Papa!«
»Und? Hast du verkauft?«, wollte Florian wissen.
»Ich wollte schon!«, gestand die junge Frau. »Immerhin hat
man mir fast 1,4 Millionen Pfund dafür geboten. Das waren mehr als 100.000
Pfund über der damals aktuellen Börsennotierung. Aber Papa hat es nicht
genehmigt. Im Gegenteil, er war drei Wochen stocksauer über diese Frechheit,
wie er es genannt hat!«
»Und wieso kannst du mit deinen Aktien nicht machen, was du
willst?« Gut, dass Florian so gar nicht neugierig war.
»Weil es einen Vertrag gibt, der vorsieht, dass mein Vater
jedem Aktienverkauf eines Familienmitgliedes zustimmen muss.« Man konnte sehen,
dass Carol mit dieser Bestimmung überhaupt keine Freude hatte. »Wir sind ja
auch nur de facto Miteigentümer. Die Aktien halten wir ja nicht, weil der Sir«,
sie sprach den Titel aus, als ob es sich um ein obszönes Wort handelte, »so
großzügig ist oder seine Kinder versorgt sehen will. Nein, er hat irgendeinen
steuerlichen Vorteil daraus ziehen können!« Sie atmete tief durch, wohl um den
aufsteigenden Grant im Keim zu ersticken. »Das ist ja auch der Grund, warum wir
Kinder uns nicht sonderlich für den Verlag interessieren. Wir arbeiten zwar
mit, aber nur so der Form halber.« Carol holte tief Luft, ehe sie fortfuhr.
»Obwohl uns Papa immer wieder bedrängt, irgendwelche Spitzenpositionen
einzunehmen. Aber nein danke. Wir haben nämlich so viel«, sie deutete auf den
gepflegten Nagel ihres kleinen linken Fingers, »Mitspracherecht, wie Dreck
unter diesen Nagel geht. Nein, nicht einmal so viel, gar keines.«
»Und wer hält die restlichen 24 Prozent der Aktien?« Florian
war ein guter Kopfrechner, für den es daher kein Problem war, den Anteil der
nicht im Familienbesitz befindlichen Aktien zu errechnen.
»Die werden an der Börse gehandelt!«, wusste Carol. »Da gibt
es eine Diana XP Holding in Jersey, die hält einige Prozent. Der Rest verteilt
sich auf viele kleine Aktieninhaber. Streubesitz, nennt Papa das.«
»Haben deine Schwestern auch Verkaufsangebote erhalten?«,
erkundigte sich Florian, während er vorsichtig Ausschau nach dem
geheimnisvollen Wirtschaftsanwalt hielt. Aber der Mann hatte die Bar offenbar
schon wieder verlassen. Komisch, je länger er darüber nachdachte, desto
sicherer war er, den Burschen schon irgendwo gesehen zu haben.
»Bridget ja, das hat sie mir selbst erzählt!«, vertraute
Carol ihm an. »Von Andrea weiß ich es nicht, die spricht so wenig. Aber ich bin
fast sicher.«
»Kannst du dich vielleicht noch an den Namen des Burschen
erinnern?«, an diesem Abend war Florian wirklich nur schwer zufriedenzustellen.
Aber das war eben seine Art, sein kriminalistischer Instinkt, der ihn zwang,
möglichst viele Details zu sammeln.
»Ich muss noch irgendwo seine Karte haben!«, erinnerte sich
die junge Frau. »Irgendwas mit Jeremy, Jeremy Mansford oder so ähnlich. Von
Ashley, Masterson & Waterbridge, Birmingham. Komisch, dieser Name hat sich
mir eingeprägt!«
»Wieso, ist das eine bekannte Kanzlei bei euch in England?«
»Keine Ahnung, aber in einem Kinderbuch gibt es einen kleinen
Buben, der sich immer als Ashley Masters Sohn aus Waterbridge vorstellt. Das
hat sich bei mir im Kopf eingraviert und war natürlich eine erstklassige
Eselsbrücke.«
Alles gut und schön, dachte Florian. Aber er wusste noch
immer nicht, wo er diesen Jeremy schon gesehen hatte. Und das machte ihn
ungeduldig.
*
Besorgt stand Palinski an einem der großen
Fenster der Hotelhalle und beobachtete den immer dichter werdenden Schneefall.
Als es ganz zart begonnen hatte zu schneibeln, hatte das ganz wunderbar
ausgesehen.
Inzwischen hatte sich die weiße Pracht aber
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