Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schneenockerleklat

Schneenockerleklat

Titel: Schneenockerleklat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
einem schier unmenschlichen Na eeeendlich und einer Geschwindigkeit, die
man ihren osteoporösen Knochen gar nicht mehr zugetraut hätte, auf den Hörer,
riss ihn förmlich von der Gabel und presste ihn ans Ohr.
    Während Dr. Dr. Hausherr die ganze Szene noch entgeistert
musterte, schrie die verzweifelte Mutter: »Hallo, bist du es, Albert? Oder wer
immer auch, wir zahlen jeden verlangten Betrag. Tun Sie meinem Berti bloß nicht
weh, ich zahle jeden Betrag, wenn Sie ihm nicht wehtun. Sie können alles von
mir haben!«
    Uiuiui, das war die ungeschickteste aller denkbaren Optionen
gewesen, das Gespräch zu beginnen, befürchtete Palinski. Das war ja förmlich
eine Einladung …
    »Hallo, hallo, und sagen Sie Berti bitte, dass er das Auto
bekommt und auch den Zuschuss zur eigenen Wohnung. Mein Gott, sind Sie … hallo,
hallo.« Verzweifelt starrte die alte Frau den Hörer an.
    »Sie hat aufgelegt!«, meinte sie schließlich verstört. »Das
Weib hat nur gesagt, sie meldet sich wieder, und dann aufgelegt. Einfach so.«
Sie begann zu weinen und langsam auch, Palinski direkt leidzutun.
    »Was bedeutet das?« Dr. Dr. Hausherrs Erstarrung hatte sich
wieder gegeben. Jetzt war er bemüht, sich wieder ins Spiel zu bringen. »Warum
haben die Erpresser aufgelegt?«
    »Das hätte ich an ihrer Stelle auch gemacht!«, meinte
Palinski provokant, und nicht nur Wilma konnte den Anflug an Spott und
Sarkasmus kaum überhören. »Tante Anitas Auftritt war ja die reinste Einladung,
eine neue Verhandlungsrunde zu eröffnen. Was heißt, Verhandlungsrunde? Die
Forderung wird eben in die Höhe gesetzt werden, und das nicht zu gering.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich zahl alles, ich zahl alles«,
äffte er die arme alte Frau nach, ohne sich wirklich schlecht dabei zu fühlen.
»Bei allem Respekt vor deiner schwierigen Lage, Tante Anita«, seine Stimme
klang jetzt wieder verständnisvoll, »aber das war schlicht und ergreifend
dumm.«
    »Du hast ja recht!« Sie blickte ihn mit
tränenvollen Augen an. »Ich bin eine dumme alte Frau. Aber ich habe so große
Angst. Albert ist doch mein einziges Kind. Wenn ihm etwas geschieht …« Sie
schluchzte für alle gut hörbar auf.
    Das war das erste Mal in mehr als 25 Jahren gewesen, dass ihn
Tante Anita direkt angesprochen hatte, ohne ihn gleichzeitig zu beschimpfen.
Ein später Anfang, aber immerhin ein Anfang, ging es ihm gerührt durch den
Kopf.
    »Hab keine Angst!«, meinte er dann zu ihr. »Ich denke, Albert
geht es gut. Bisher zumindest!« Dann ging er zu ihr hin und schloss sie in die
Arme, die Arme.
    Es wäre aber nicht Tante Anita gewesen, wenn sie vor dieser
Geste nicht zurückgeschreckt wäre wie der Teufel vor dem Weihwasser.
    »Was bildet sich der Mensch ein, mich abzugrapschen!«,
fauchte sie in Richtung Wilma und stieß ihn weg. »Und was soll das überhaupt
heißen, es geht ihm bisher gut? Ab jetzt geht es ihm nicht mehr gut? Oder was
sonst?«
    »Also wirklich, jetzt gehst du aber zu weit!«, fauchte Wilma
und meinte damit das Abgrapschen. Palinski fand es aber erstaunlich
erfrischend, dass der alte Teufel seine Giftzähne noch nicht verloren hatte.
Das hielt den kurz vorher noch verspürten Anflug von Mitleid in Grenzen und
ließ ihn seine Schlussfolgerungen ohne Gewissensbisse vortragen.
    »Jetzt werde ich dir«, er blickte zu Anita, dann zu den
Übrigen, »einmal sagen, was ich wirklich denke. Ich glaube, dass sich der gute
Albert gegen diesen Albtraum von Mutter nicht mehr anders zu helfen gewusst
hat, als sich selbst zu entführen. Dass Tante Anita plötzlich nichts mehr gegen
das neue Auto und die Wohnung einzuwenden hat, haben wir ja eben gehört. Die
Kosten dafür, inklusive, sagen wir, je 10.000 Euro für zwei Helfer, und schon
ist der geforderte Betrag erklärt. Ich wette, wenn wir nur lang genug suchen,
werden wir unter Alberts Unterlagen einen Prospekt oder das Angebot eines
Autohändlers mit einem Preis finden, der auf 812 Euro endet. Wahrscheinlich
beinhaltet der irgendeine Sonderausstattung.«
    Palinski blickte fast durchwegs in interessierte,
aufgeschreckte Gesichter. Bloß die Mutter des Opfers warf ihm einen Blick zu,
der Titanium zum Schmelzen gebracht hätte. Ehe sie aber zu einem ihrer
gefürchteten Brüller ansetzen konnte, fuhr er fort: »Habt ihr euch gar nicht
gefragt, warum der bewusste Anruf hierher erfolgt ist? Ein normaler Erpresser
ruft doch nicht bei der Schwester der erpressten Person an, sondern bei ihr

Weitere Kostenlose Bücher