Schneenockerleklat
in eine Plastikfolie gewickeltes Handy aus
seiner Jackentasche, »den Akku des guten Stücks in der Wohnung aufgeladen, das
Gerät aber an der Steckdose vergessen. Ich wette, dass …«
»Da haben Sie völlig recht!«, unterbrach ihn Wallner und nahm
das wichtige Beweisstück an sich. »Wir werden das sofort untersuchen lassen!«
Zehn Minuten später war Palinski schon wieder mit dem Taxi
unterwegs. Wohin? Erraten.
Mit dem wärmenden Gefühl, seine geliebte Wilma in wenigen
Stunden wiederzusehen, sie wollte mit Helmut Wallner nachkommen, der vorhatte,
gegen Mittag mit dem Auto zum Semmering aufzubrechen, war Mario gleich darauf
eingenickt.
*
Sir Peter
Millfish war kein sportlicher Typ. Ganz im Gegenteil, er war ein echter
Fettbatzn, der sich auf stämmigen Beinen durchs Leben schleppte. Er hielt es
mit seinem berühmten Landsmann Winston Churchill, der sich mit der zum Zitat
erhobenen Aussage ›no sports‹ eindeutig positioniert hatte.
Auch für Sir Peter war Sport Mord. Lediglich eine Sache, mehr
Spiel als Sport, hatte es ihm ungemein angetan. Das Golfen.
Das aus Anlass der Jubiläumsversammlung der FECI
stattfindende Wintergolf-Turnier am Semmering um den Zauberberg-Pokal war daher
auch die einzige Veranstaltung, für die die schützenden Mauern des ›Semmering
Grand‹ zu verlassen er gewillt war.
Und weil dieses bereits um 10 Uhr begann, zu einer Zeit, zu
der der exzessive Nachtarbeiter Millfish bestenfalls zum ersten Mal aufwachte,
um Wasser zu lassen, war das heutige gemeinsame Frühstück der Familie ein
ausgesprochen seltenes Ereignis.
Der freundliche, wenn auch etwas ungeschickt wirkende
Zimmerkellner hatte die Tafel hübsch gedeckt, und das gar nicht so kleine
Beistelltischerl bog sich unter den darauf wartenden Köstlichkeiten.
Und alle, das heißt, fast alle saßen da und
nippten genussvoll an ihrer ersten Cup of Morning Tea. Lediglich Caroline, die
Jüngste, glänzte noch durch Abwesenheit.
»Wo ist denn Carol?«, erkundigte sich Lady Paulina hurtig bei
Andrea und Bridget und machte dabei eine strenge Miene. Vor allem wohl, um dem
zu erwartenden Wutausbruch Sir Peters zuvorzukommen. Der pflegte sich immer
mächtig zu alterieren, wenn sich nicht alle um den Tisch scharten, wann immer
er das erwartete.
Beide Töchter zuckten nur bedauernd mit den Achseln und
widmeten sich ihrem Müsli weiterhin mit Hingabe. Und John Dykman, der erstmals
bei einem solchen Familienfrühstück dabei sein durfte, hatte natürlich auch
keine Ahnung.
Im Gegensatz zum Rest der Familie, die bei Cornflakes, frisch
geschnittenen Ananasscheiben, einer raffinierten Mischung aus Rote-Rüben- und
Karottensaft, eingelegten Dörrzwetschken und verschiedenen Topfenaufstrichen
aus rein biologischem Anbau, oder wie man das bei Kühen nannte, verweilten,
liebte es Sir Peter handfest.
Das bedeutete eine aus mindestens sieben verschiedenen Sorten
an Koch- und Rohschinken sowie Speck bestehende Platte, kaltes und warmes
Fleisch, einen reich sortierten Käseteller, Eier in den verschiedensten Zubereitungsarten,
eingelegte Heringe mit viel Zwiebeln und die unterschiedlichsten, je nach
Weltgegend variierenden pikanten, ja scharfen Aufstriche.
Und noch etwas Feines, nicht Alltägliches fand sich auf dem
kleinen Frühstücksbuffet. Eine Spezialität, auf die Sir Peter aus zweierlei
Gründen nicht verzichten wollte und die er daher immer selbst mitbrachte.
Nämlich Haggis, gefüllten Schafmagen, eine Spezialität, die
der schottische Nationaldichter Robert Burns, The great Chieftain o’ the
Puddin-race (etwa: Der große Häuptling der Pudding-Rasse), bezeichnet hatte.
Haggis, das war mit Herz, Leber, Lunge, Nierenfett, das alles vom Schaf, sowie
Zwiebeln und Hafermehl gefüllter Schafmagen, also wahrlich nicht jedermanns
Sache. Nun war es nicht so, dass Millfish verrückt nach dem Zeug gewesen wäre.
Beileibe nicht, nein, er mochte das Zeug ganz gerne und gefiel sich, wenn ihn
die anderen unter lauter Ahs und Ohs dafür bewunderten, dass er das
hinunterbrachte.
Den größten Spaß hatte der Sir aber, wenn es ihm gelang, seine
Gäste nicht schottischer oder zumindest britischer Esskultur zum Konsum eines
Stückes Haggis zu verführen. So gut gelaunt, wie er war, wenn er sich nach
entsprechendem kulinarischem Nachhilfeunterricht am Würgen seiner
blassgesichtigen Opfer delektierte, war er bei sonstigen Anlässen kaum.
Kein Wunder, dass Sir Peter zwar ein sehr gefragter,
Weitere Kostenlose Bücher