Schneerose (German Edition)
ist, im Gegensatz zu
den anderen Succubus. Ihr Verhalten erinnert Tru daran wie Lia war als sie sie
im Wald fanden. Sie sind auf ihre Triebe reduziert und haben jegliches Gefühl
neben dem Überlebensdrang verloren. Lia ist anders.
„Du bist nicht wie die anderen. Du bist…voller
Gefühl.“
„Das verdanke ich nur dir und den anderen. Ihr
erinnert mich daran wer ich mal war. Die anderen haben das vergessen. Sie haben
jegliche Erinnerung an ihr altes Leben verloren.“ In ihrer Stimme schwingt
Mitleid mit. Die anderen Succubus sind allein. Niemand ist mit ihnen ans Ende
der Welt gereist, um sie bei ihrem Schicksal zu begleiten.
„Ich lasse nicht zu, dass mit dir dasselbe
geschieht.“ Ein plötzlicher Einfall überkommt sie. „Niemand zwingt dich
hierzubleiben. Niemand zwingt dich für etwas zu kämpfen, woran du nicht glaubst.
Das ist genauso wenig dein Kampf, wie meiner. Lass uns zusammen weggehen.
Irgendwo in die Berge, dorthin wo keine anderen Menschen leben. Mich stören
deine Flügel nicht. Sie sind nur ein Teil deiner äußeren Hülle, das ist
bedeutungslos.“
Lias Augen werden groß. Sie lächelt, doch dann
verzieht sich ihr Mund entschuldigend. „Es tut mir wirklich von Herzen leid,
aber ich kann nicht mit dir weggehen.“
„Warum nicht? Was hält dich noch hier?“
„Orlando.“
Tru hasst den Namen. Immer wieder er. Wäre es
vielleicht anders wenn Lia nie auf ihn getroffen wäre? Könnte sie dann Tru
lieben? … Ohne Orlando hätten sie einander nie kennen gelernt. Sie gehen zwar
auf dieselbe Schule, sogar in dieselbe Klasse, aber vor Orlando, war ihr Lia
vollkommen egal. Nur ein Mensch von vielen.
„Bitte versteh mich. Ich muss ihn finden. Ich habe
schlimme Dinge zu ihm gesagt und auch getan. Wenn ich mich nicht wenigstens bei
ihm entschuldige, könnte ich mir das nie verzeihen.“
In Tru wallt ein Sturm der Gefühle. Sie weiß nicht
was sie denken oder fühlen soll. Es macht sie fertig, dass sie nicht einmal
selber weiß was sie für Lia empfindet. Ist es Freundschaft oder Liebe? Für
jemanden, der kaum Kontakte zu anderen Menschen hatte, ist so etwas verdammt
schwer einzuschätzen. Sie weiß Worte und Blicke nicht zu deuten. Sie kann das
Verborgene nicht sehen und auch nicht zwischen den Zeilen lesen. Gerade deshalb
muss sie wissen, woran sie ist. Ihre Hände schließen sich schnell um Lias
Wangen und ehe sie sich versieht, berühren ihre Lippen einander. Sie spürt die
Risse auf Lias Mund und schmeckt, neben Salz und Blut, die Süße von Erdbeeren.
Eine Wärme breitet sich wie ein Lauffeuer in ihrem Inneren aus. Geborgenheit
umschließt sie und lässt ihr Herz ruhiger und gleichmäßiger schlagen. Sie fühlt
sich sicher und glücklich, doch das erwartete Feuerwerk der Gefühle bleibt aus.
Doch es ist keine Enttäuschung, sondern beruhigend. Es bedeutet Sicherheit.
Tru öffnet ihre Augen und blickt in das warme Grün
in Lias Blick. Die kalten Smaragde sind verschwunden und der Innigkeit einer
Sommerwiese gewichen. Lia hat sich
beruhigt und ihre Tränen sind getrocknet. Staunen liegt in ihrem Gesicht, aber
auch so etwas wie Glück. Trotzdem weiß Tru ihre Reaktion nicht zu deuten.
„Sag doch bitte etwas!“, sagt sie heiser. Zögernd
sucht Lia nach etwas in Trus Augen, was ihr die Worte erleichtern würde.
„Ich...ich bereue den Kuss nicht.“, setzt sie an und
hält dabei stets den Blickkontakt. „Ich liebe dich, aber nicht wie Orlando,
sondern mehr wie eine Schwester!“
Die Worte sind raus und vor wenigen Sekunden hätte
sich Tru noch nicht träumen lassen, dass sie diese Aussage einmal so
erleichtern würde.
„Ich bin froh, dass du das sagst. Denn ich sehe es
genauso.“ Endlich sind sie sich beide ihrer Gefühle gewiss und müssen nicht jeden
Blick- oder Körperkontakt aus Angst vor falschen Interpretationen meiden. Die
Zuneigung, die sie von Anfang an verband, ist nach wie vor vorhanden, doch weiß
Tru sie nun endlich zu deuten. Es ist Liebe, doch nicht die Art von Liebe mit
der sie gerechnet, wenn nicht sogar befürchtet, hatte. Vielleicht ist sie
einfach noch nicht bereit für so eine Art von Liebe, doch eine tiefe
Freundschaft ist ein guter Anfang.
„Als deine Schwester werde ich nicht von deiner
Seite weichen. Es ist mir egal, ob dir Flügel oder Hörner wachsen, solange du
Lia bleibt. Und wenn du vergisst wie es ist du selbst zu sein, werde ich deine
Erinnerung sein.“
Sie legt beschützend den Arm um ihre Freundin, die
heute zu ihrer Seelenschwester wurde.
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