Schneerose (German Edition)
Verflucht sollt Ihr sein!“, schimpfte John
Moundrell sofort. Mit den dunklen Künsten wollte er nichts zu tun haben, auch
wenn sie so manches Problem einfach in Wohlgefallen auflösen könnten. Allein
der Gedanke an das ewige Leben ließ ihn erschaudern.
„Und doch seid Ihr nicht abgeneigt...“
„...Ihr spielt mit dem Traum der Menschheit: Das ewige Leben.“, hauchte
John ehrfürchtig zurück. „Wer könnte sich Euren Worten verschließen? Doch Euer
Preis muss gleichermaßen unermesslich sein. Zu viel für einen mittellosen Mann
wie mich, dem lediglich sein Name noch geblieben ist.“
„Ihr täuscht Euch, Mylord. Mein Preis ist wahrlich bescheiden für die
Erfüllung all Eurer Träume. Ihr besitzt den Namen und das Geld, das über die
Welt gebietet. Gemeinsam könnten wir Brücken über Flüsse bauen.“
Seine Worte waren zischelnd wie die einer Schlange. Spitze Eckzähne
entblößte sein ungewaschener Mund, wie die eines Wolfes. John dachte an die
Bibel. Er war ein gottesfürchtiger Mann, betete jeden Abend und jeden Morgen.
Und noch waren alle seine Träume und Wünsche ihm bisher verwehrt geblieben. Zu verlockend
klangen die Worte des Fremden in seinen Ohren.
„So fahrt fort, edler Freund.“
„Ihr habt eine bildschöne Tochter...“, raunte ihm der Halunke ins Ohr und
ihre beiden Blicke glitten zu der schönen Chasity mit der hellen Haut und dem
dunklen Haar. Ihre Augen waren mandelförmig und von einem tiefen Blau, wie das
eines klaren Bergsees. An ihrem Hals funkelte scharlachrot der Rubin ihrer im
Kindbettfieber verstorbenen Mutter. Sie war längst im Heiratsfähigen Alter und
es mangelte nicht an Bewerbern, doch hatte es John bisher nicht über sich
bringen können das Liebste in seinem Leben von sich gehen zu lassen. Sie war
ein gutes Kind, brav und fleißig. Immer gehorsam, nie aufsässig. Schöner als
der Morgen, zu wertvoll für jeden Mann.
„Sie ist mein Augenstern.“
„Sie soll der Meine sein, als treu liebende Ehefrau an meiner Seite. Ich
werde Ihr nicht nur die Welt, sondern die Zeit zu Füßen legen. Ihr ergebenster
Diener will ich sein und ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen. Gebt sie mir
zur Frau und ich schenke Euch das ewige Leben.“
Trocken wie Sandpapier fühlte sich John Moundrells Hals an. Chasity
winkte ihrem Vater vom Damentisch aus zu. So bezaubernd, so rein und so
unschuldig. So bescheiden, wie schön.
Zu gern hätte sein Bruder sie bereits für seine Zwecke missbraucht und an
irgendeinen Fürsten nur für ein Stück Land verkauft. Sie war das einzige
Wertvolle, dass allein seinem jüngeren Bruder gehörte, außerhalb seiner
Reichweite. Sie war Johns einzige Chance.
„Es wäre mir eine Ehre Euch Schwiegersohn nennen zu dürfen.“
Für Chasity stand die Familie über allem und so schmerzt es sie umso
mehr, nun das letzte lebende Mitglied verurteilen zu müssen. So viele der
Moundrells waren gestorben, stets in einem ehrenvollen Kampf, da ist es ein
Stich in ihr totes Herz, dass sie Orlando nun als Verräter hinrichten soll.
Sein Tod würde nicht nur seine eigene Ehre beschmutzen, sondern die der ganzen
Familie. Aber was interessiert sie die Ehre, wenn ihr Herz dabei zerbricht.
„Es tut mir weh dich leiden zu sehen, aber ich habe dich gewarnt und das
nicht nur einmal.”, versucht Claudia zu ihr durchzudringen. Ihre Stimme ist
viel zarter und sanfter als man es sonst von ihr gewohnt ist. Diese Claudia
kennt nur Chasity und trotzdem macht ihre Worte sie wütend.
„Es hilft niemandem, wenn du mich immer und immer wieder daran erinnerst,
dass du es ja geahnt und ich dir nur nicht geglaubt hätte.” So sanft wie
Claudias Stimme war, ist Chasitys nun scharf und schneidend.
„Wenn es nur daran gelegen hätte, dass du mir nicht glaubst, aber du
wusstest, dass ich Recht hatte, du wolltest es nur nicht wahr haben. Die ganze
Zeit hast du ihn geschützt! Damit hast du weder ihm, noch dir oder sonst
irgendjemand geholfen! Warum hast du ihm nicht einmal gedroht?”
Verständnislosigkeit und Vorwürfe dringen ihr entgegen.
„Warum? Warum? Es ist so leicht im Nachhinein auf meinen Entscheidungen
herumzureiten! Es gab keine Beweise...”
„...und du hast nie nach welchen gesucht!”, fällt ihr Claudia ins Wort
und nimmt sich damit ein Recht heraus, welches ihr und auch sonst niemandem
zusteht. Niemand hat das Recht die Königin zu unterbrechen und doch schweigt
Chasity. Lediglich ihre royalblauen Augen funkeln Claudia wütend entgegen. Es
wird still in dem
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