Schneerose (German Edition)
Körper fährt. Mit eisernem Griff trägt er sie gegen
ihren Willen zurück in ihr Zimmer. Es wäre so viel leichter, wenn er sie
einfach ans Bett fesseln würde, um sie so daran zu hindern, abzuhauen und etwas
zu tun, was ihr später leid täte. Aber das erschiene ihm als kalt und herzlos.
Sie ist nicht sie selbst und so sollte er dafür sorgen, dass sie wenigstens
einen letzten Rest Würde behält .Schnell schlägt er eine Decke um ihren
halbnackten Körper, um sie vor seinen Blicken zu schützen. Wie ein Kleinkind,
drückt er sie in der Decke eingewickelt an sich. Ihre Hände sind nun fest in
den Stoff, wie in einer Zwangsjacke, verpackt, sodass es ihr unmöglich ist,
weiter nach ihm zu schlagen. Zwar bäumt sich ihr Körper weiterhin wütend auf
und sie beschimpft ihn mit Worten, die er in seinem Leben noch nicht gehört
hat, doch auch das lässt bald nach.
Ihre Wut
verwandelt sich nach und nach in pure Verzweiflung bis sie nur noch ein Rotz
und Wasser heulendes Häufchen Elend ist. Ihr ganzer Körper bebt und zittert,
während er sie sanft hin und her wiegt. Es ist nicht anders wie bei Mary, wenn
der Blutdurst zu groß ist. Ihre Ausraster sind dieselben, doch Orlando war
bisher nicht bereit sie zu ertragen. Diese Aufgabe überließ er zu gerne
anderen, mit Vorliebe Vivienne. Er weiß, dass er es sein sollte, der sie in den
Schlaf wiegt, aber vielleicht kann er es ja wieder gut machen, indem er es nun
bei Lia besser macht.
Als der Morgen
sich durch die Dämmerung ankündigt, ist sie endlich eingeschlafen. Tiefe
Augenringe liegen unter ihren Wimpern und auf ihren Wangen sind die Spuren der
vielen vergossenen Tränen noch deutlich zu sehen. Ihr Haar steht wirr und
verfilzt von ihrem Kopf ab. Ganz stumpf und matt wirkt es in dem düsteren
Licht. So blass und dünn scheint ihre Haut, als er ihr behutsam über den Arm
streicht, der ganz blau angelaufen ist von dem Versuch sie zu bändigen. Ein
kurzer Blick auf ihren Körper macht ihm Angst. Nicht nur, dass überall Hämatome
hervortreten, auf einmal wirkt sie auch so schrecklich dünn, ja fast
abgemagert. Unnatürlich stark treten ihre Rippen hervor, sodass Orlando sich
fragt, wie sie je gesund und wohlgeformt auf ihn wirken konnte. Es ist doch
nicht möglich in gerade Mal einer Nacht so viel Gewicht zu verlieren. Er will
sie nicht verlassen, sondern will bei ihr bleiben und sie vor sich selbst
beschützen bis sie wieder zu sich kommt, doch sein Feind, die Sonne, verbietet
es ihm. Nun ist sie sich selbst überlassen. Wenn sie Glück hat, ist sie so
ausgepowert, dass sie vor dem nächsten Abend gar nicht zu sich kommt. Trotzdem
geht Orlando nur mit schlechtem Gewissen und einem unguten Gefühl in der
Magengegend.
Chasity hat sich schützend die Arme um den Körper geschlungen, so als ob
sie sich selbst halten müsse. Seit bereits einer Stunde hat sie nicht ein Wort
mehr gesprochen, seit Claudia ihr gezeigt hat, was sie für unvermeidlich hielt.
Auch wenn sie weiß, dass Claudia es nicht böse gemeint hat, sondern das es viel
mehr ihre Pflicht war, sie davon zu unterrichten, wünschte sie sich, dass sie
es nie erfahren hätte, denn dann müsste sie jetzt auch nicht handeln. Solange
hat sie krampfhaft die Augen vor Orlandos Taten verschlossen. Natürlich war
auch ihr nicht entgangen, dass er sich bei keiner Ratssitzung hat blicken
lassen und dass es immer Vivienne war, die sich um die schreiende und wütende
Mary gekümmert hat. Aber solange sie nicht genau wusste, wo er ist und was er
macht, musste sie ihm auch keinen Vorwurf machen. Denn wie heißt es so schön?
Im Zweifel für den Angeklagten. Nun besteht leider kein Zweifel mehr.
Mit eigenen Augen hat sie die junge Frau vor der Tür
stehen sehen.
Doch nicht nur sie, sondern auch Claudia und
zahlreiche andere.
Wäre es nur sie selbst gewesen, so könnte sie es
einfach vergessen.
Ja sogar Claudia könnte sie bitten ihr zuliebe zu
schweigen, doch nicht den ganzen Clan. Eine solche Bitte wäre, als ob sie
eigenhändig den Verrat beginge.
Wenn es doch nur bei dem Auftauchen der Frau vor dem Anwesen geblieben
wäre. Dann könnten sie geschickt eine Ausrede nach der anderen vorbringen.
Menschliche Frauen erliegen so leicht den Reizen von Vampiren, es müsste nicht
mal Orlandos Absicht gewesen sein.
Aber er musste ja auch noch mit ihr gehen, konnte sie nicht einfach zum
Teufel jagen. Sodass sie mit ansehen musste, wie er mitten in der Nacht auf
einem hellerleuchteten Hof eine schreiende Frau mit einem
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