Schneerose (German Edition)
glücklich sind, so durchflutet Tru ernorme
Erleichterung, dass sie überhaupt wieder mit ihr spricht. Unsicher setzt sie
sich an den Rand des Doppelbetts. Ein Schweigen liegt zwischen ihnen und Tru
hat das Gefühl irgendetwas sagen zu müssen.
„Es
tut mir leid...“, stößt sie gleichzeitig mit Lia aus.
Erstaunt
blicken sie sich an.
„Es
tut mir leid, dass ich dich beleidigt und dir nicht zugehört habe. Dazu hatte
ich kein Recht. Ich habe dir nicht mal die Chance gegeben dich zu erklären.
Wenn ich es rückgängig machen könnte, würde ich es sofort tun.“, platzt es aus Lia
heraus und sie setzt sich kerzengerade auf. „Entschuldige, ich lasse dich schon
wieder nicht zu Wort kommen.“, fügt sie danach betreten hinzu und blickt auf
das hellblaue Karomuster der Bettdecke.
Aus
Tru bricht ein helles Lachen heraus, wie sie es selbst schon seit Ewigkeiten
nicht mehr von sich gehört hat. Es ist pure Erlösung. Sie schließt Lia fest in
ihre Arme und ist froh noch eine schwache Spur ihres sonst so intensiven
Erdbeerduftes zu riechen. Es gibt also noch Hoffnung.
„Und
mir tut es leid, dass ich es dir nicht früher gesagt habe.“
Lia
schenkt ihr ein scheues Lächeln. „Jeder hat seine kleinen oder großen
Geheimnisse.“
Ernst
blickt ihr Tru entgegen. „Ich möchte aber keine Geheimnisse mehr haben. Zu
lange bin ich deshalb schon alleine. Wirst du mir zuhören, wenn ich dir jetzt
meine Geschichte erzähle?“
Ohne
zu zögern nickt Lia und hängt an Trus Lippen. Sie atmet einmal tief durch. Es
ist Zeit mit Vergangenem abzuschließen und von vorne anzufangen.
„Ich
bin nicht wie Orlando, denn ich bin kein Vampir. Jedenfalls nicht ganz. Gemäß
der Folklore dürfte die passende Bezeichnung für mich wohl Dhampir sein. Das
heißt mein Vater war ein Vampir, meine Mutter aber ein Mensch. Es ist keine
tolle Liebesgeschichte, wie man sich das jetzt vielleicht wünschen mag. Er hat
meine Mutter getötet, kaum, dass ich auf der Welt war. Sie war ihm vollkommen
egal, nur ein Mittel zum Zweck. Mich hat er aufgezogen wie einen Soldaten. Mein
einziger Lebensinhalt sollte sein, ihm zu Diensten zu sein. Dabei hat er aber
vergessen, dass jeder Mensch einen eigenen Willen hat.“
Sie
hält inne, während Lia ihr gespannt entgegen blickt.
„Was
ist passiert?“, flüstert sie.
„Ich
habe in ihm meine Berufung gefunden. Ich bin Vampirjägerin und er war mein
erstes Opfer. Es hört sich vielleicht grausam für dich an seinen eigenen Vater
umzubringen, aber glaub mir, die Bezeichnung Vater könnte für niemanden
unpassender sein als für ihn. Nicht ein nettes Wort hatte er je für mich übrig.
Wenn ich nicht spurte, hagelte es Schläge. Die Narben, nach denen du mich schon
öfters gefragt hast, sind alle von ihm.“
Gedankenverloren
streicht sie sich über die hauchdünnen Linien auf ihrer Hand. Die Erinnerung
schmerzt nach wie vor.
„Doch
das war noch harmlos gegen seine anderen Erziehungsmethoden, wie er es nannte.
Einmal habe ich mich aus dem Haus geschlichen und bin auf einen Spielplatz
gegangen. Dort habe ich einen kleinen Jungen kennen gelernt. Er war nicht älter
als acht, genau wie ich selbst. Wir haben zusammen im Sand gespielt, als...“,
ihr Mund verzieht sich angewidert, „’ Vater’ kam und uns gesehen hat,
nahm er sich den Jungen und saugte ihm vor meinen Augen jegliches Blut aus dem
Körper. Er zwang mich seine Leiche zu zerstückeln und legte sie danach, in
einen Karton verpackt, der Mutter des Jungen vor die Tür.“
Tru
schluckt, während ihre Lippen und Hände zittern. Mitfühlend legt Lia ihre Hand
auf die von Tru. Sie ist warm.
„Ich
bin öfters umgezogen als ich es zählen könnte. Seit diesem einen Tag, hatte ich
nie wieder einen Freund oder auch nur eine Bekanntschaft mit einem anderen
menschlichen Wesen. Der Tod meines Vaters war für mich die Rettung.“
Tru
atmet heftig. Ganz aufgebracht ist sie alleine von den Gedanken an diese
schreckliche Zeit.
„Als
Dhampir habe ich gewisse Vorteile gegenüber normalen Vampiren. Ich besitze
dieselben übernatürlichen Fähigkeiten, aber mir schadet kein Sonnenlicht. Ich
bin kein Geschöpf der Nacht wie sie. Mein Herz schlägt.“
Sie
greift nach Lias Hand in ihrer und drückt sie verzweifelt über ihre linke
Brust, dort wo sich ihr Herz befindet. Wild und schnell schlägt es gegen Lias
Fingerspitzen, die plötzlich zu kribbeln beginnen. Auf Trus Körper entsteht
gleichzeitig eine leichte Gänsehaut. Verlegen lässt sie Lias Hand wieder
Weitere Kostenlose Bücher