Schneerose (German Edition)
da warst!“,
wirft ihm nun auch noch Claudia erbost vor.
„Sie
ist tot?“, fragt Orlando betroffen und versucht einen Blick auf den Innenhof
durch die Menge zu erhaschen.
„Nur
noch Asche!“, erklärt Victor und zuckt unbeteiligt mit den Schultern. „Aber ich
weiß auch gar nicht was ihr euch so aufregt. Die Kleine hat doch gerade
zugegeben, dass sie das Mädchen verwandelt hat. Also alles gut.“
„Überhaupt
nichts ist gut“, rufen Claudia und Mary wie aus einem Mund. Orlando blickt
betreten drein.
„In
einer Sache hatte Vivienne Recht. Wir haben wichtigeres vor als uns mit solchen
Kleinigkeiten zu befassen. Kain erwartet uns. Das Schiff legt heute Abend ab.
Wir haben eine lange Reise vor uns, ein bisschen Schlaf sollte uns allen gut
tun.“, entgegnet Victor erstaunlich vernünftig.
Für
Mary fühlt es sich an wie ein Verrat. Alle gehen sie davon und lassen sie
alleine zurück im Keller. Die Tränen zwingen sie zu Boden und rauben ihr die
Luft zum atmen. Sie wünscht sich nichts mehr als genau jetzt den Veilchenduft
um sich zu riechen. Es ist alles, was sie gerade braucht und doch weiß sie,
dass er für immer verloren ist.
Starr
ruhen ihre Augen auf der schlafenden Lia. Einen Tag zuvor sah sie noch
schrecklich, um nicht zu sagen, unmenschlich aus. Jetzt hingegen wirkt sie wie
die Unschuld in Person. Tru kann nicht sagen, ob Lia wirklich ein Vampir ist.
Es gibt Punkte wie ihr enormer Blutdurst die dafür sprechen, doch gleichzeitig
scheint es nicht wirklich das Blut zu sein nach dem es ihr gelüstet. Jede
Blutkonserve, die sie ihr bisher angeboten hat, betrachtete Lia nur mit
Ablehnung. Manchmal fragt sie sich, ob Lia überhaupt noch da ist oder ob es nur
noch ihre Hülle ist. Sie spricht weder mit ihr noch mit Mike oder Lindsay.
Zudem hat Tru sie jetzt schon mehr Mals dabei ertappt wie sie mit sich selbst
redet. Irgendetwas stimmt da ganz gewaltig nicht, doch solange sie kein Wort
aus Lia herausbekommt, kann sie ihr auch nicht helfen. Lindsay meint sie solle
ihr Ruhe lassen, immerhin habe Lia viel mitgemacht, doch das ist leichter
gesagt als getan, wenn die einzige Person, die einem wirklich etwas bedeutet,
so tut als ob sie einen nicht mehr kennt.
Ein
leises Wimmern dringt nun aus Lias Kehle und sie wälzt sich unruhig zur Seite.
Schnell ist Tru bei ihr und legt Lia ihre kalte Hand auf die Stirn. Ihr Fieber
ist verschwunden. Noch so eine Eigenart, die sie sich nicht erklären kann.
Vampire bekommen kein Fieber. Unruhig zucken Lias Augenlieder, bevor sie sie
aufschlägt. Ihr Blick wirkt verwirrt, doch als sie Tru erkennt, versteift sich
ihr gesamter Körper und sie wendet sofort den Blick ab. So war es bisher jedes
Mal und jedes Mal verletzt ihre Reaktion Tru aufs Neue. Womit hat sie diese
Behandlung verdient? Es ist nicht ihre Schuld, was passiert ist.
„Hast
du Hunger?“, versucht sie es erneut, doch Lia antwortet ihr gar nicht, sondern
dreht ihr nur den Rücken zu.
„Soll
ich Lindsay oder Mike holen?“
Keinerlei
Reaktion.
Ein
frustriertes Seufzen entfährt Tru. „Wirst du je wieder mit mir reden?“
Lias
Schultern spannen sich an, aber mehr passiert nicht. Enttäuscht kehrt Tru Lia
ebenfalls den Rücken zu und geht über den knarrenden Boden zur Tür.
„Das
Kissen riecht nach dir.“, durchbricht es plötzlich leise und schwach die
Stille. Überrascht bleibt Tru mit der Klinke in der Hand stehen und dreht sich
verdutzt um.
„Es
ist mein Bett.“, erklärt sie und bemerkt wie Lias Blick durch ihr Schlafzimmer
wandert. Sie liegt nun wieder auf dem Rücken und mustert aufmerksam die vielen
Regale, in denen sich Bücher wild übereinander stapeln, ohne jegliche Ordnung.
Ihre Augen wandern zu den offenen Türen ihres Mahagoni Kleiderschranks, in dem
dieselbe Unordnung herrscht. Es ist ein Klamottenberg aus schwarz, blau,
dunkelgrün und braun. Ihr Blick bleibt an den durchsichtigen hellblauen
Vorhängen hängen durch die seicht das Licht der Abenddämmerung hereinfällt. Der
Himmel ist rosa verfärbt. Sie hat den ganzen Tag, abgesehen von einem paar
kleinen Störungen, verschlafen.
„Soll
ich es frisch beziehen? Ich habe in der Hektik nicht daran gedacht.“
„Nein,
ich mag deinen Geruch.“, sagt Lia und dreht sich zum ersten Mal zu Tru herum
und blickt ihr traurig ins Gesicht.
Zögernd
tritt Tru einen Schritt auf sie zu.
„Wenn
ich mein Gesicht tief genug in den Kissen vergrabe, kann ich mir einreden, dass
nichts passiert ist.“
Auch
wenn Lias Worte alles andere als
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