Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Titel: Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Wittekindt
Vom Netzwerk:
gebremst. Dann raus. So war es.
    Das Mädchen krabbelt auf dem Boden rum. Er will zu ihr laufen, bleibt nach drei Schritten stehen.
    Was er sieht, passt nicht. Dieses Mädchen ist kein Mädchen, und sie ist auch nicht in Not. Würde sie sonst ein Maßband ausgerollt haben und etwas auf einem Block notieren? Die Frau, die kein Mädchen ist, richtet sich auf, macht heftige Bewegungen mit der Hand. »Fahr deine Kiste weg, Roland! Da! Fahr da hin!«
    »Grenier?«
    »Fahr deine Kiste da weg! Du musst da rein in den Wald. Sie liegt auf der anderen Seite vom See! Oben auf der Lichtung beim Haus von Madame Darlan, kennst du das Haus?« Roland Colbert kennt das Haus. »Beeil dich! Sonst siehst du gar nichts mehr!«
    Roland Colbert setzt seinen Wagen ein Stück zurück. Der Wagen sackt hinten ab.
    Scheiße! Mit diesem Wagen wird er hier nicht mehr wegkommen. Er steigt aus, nimmt eine Taschenlampe und die Plastiktüte für Ohayon vom Beifahrersitz. Bleibt dann einen Moment neben dem Wagen stehen.

    Er friert, aber das ist in Ordnung.
    Er musste sehen, ob das Mädchen noch da lag. Es war seine berufliche Pflicht, das zu überprüfen. Er musste sich vergewissern. Er war von der deutschen Seite gekommen. Vorsichtshalber. Er hat die Lichtung umrundet, bis er zu der Stelle kam. Er hat eine Frau von der Polizei beobachtet, die etwas im Schnee untersuchte. Das Mädchen lag also nochda. Neben der Frau stand ein kleiner, dicker Mann und stellte ihr Fragen. Dann war ein zweiter Mann gekommen, und die Frau hat den beiden etwas erklärt. Plötzlich war die Frau in den Wald gelaufen. Direkt auf ihn zu. Er war geflüchtet, quer durch den Wald, bis fast runter zum See. Er hat gewartet. Lange.
    Jetzt hat er keine Angst mehr. Für Angst ist es viel zu kalt. Also traut er sich endlich zurück in den Wald. Ihm bleibt auch gar nichts anderes übrig. Gehen oder erfrieren. Er wird hochgehen, bis an den Rand der Lichtung, dann die Lichtung umrunden, bis auf die andere Seite, wo er seinen Wagen versteckt hat. Auf einmal hört er Hunde. Er läuft weg, duckt sich hinter einem Stamm. Wartet. Die Hunde kommen nicht näher. Er will gerade wieder aufstehen, als er hört, dass jemand kommt. Er bleibt also hinter dem Baumstamm hocken. Lange wird er es nicht mehr aushalten in der Kälte.

    Nachdem Roland Colbert den See umrundet hat, dringt er wieder in den Wald ein. Er nimmt dabei nicht denselben Weg wie Geneviève. Er nimmt einen schlechteren Weg. Einen, der durchs Unterholz führt. Dann hört er Hunde und dann …
    Da ist jemand.
    Er schaltet die Taschenlampe aus. Lauscht. Dreht sich. Lauscht. Nur die Hunde. Sehr weit entfernt.
    Aber da ist jemand!
    Hat er etwas gesehen? Nein. Hat er etwas gehört? Nein.
    Es dauert einen Moment. Jetzt weiß er es. Er hat etwas gerochen. Er versucht, den Vorgang zu wiederholen. Riecht. Nichts. Geht ein Stück zurück. Schnüffelt. Nichts. Er versucht sich an den Geruch zu erinnern. Schwierig.
    Parfüm. Das ist sicher. Parfüm eines Mannes? Einer Frau? Eher ein Mann.
    Roland Colbert ist besorgt. Das Drehen. Die Orientierung.Die Batterien der Taschenlampe gehen in der Kälte zugrunde.
    Da! Kommissar Colbert sieht einen gebündelten Lichtstrahl, der durch den Wald fingert. Er geht auf den Ursprung des wandernden Lichtstrahls zu, strauchelt, fängt sich ab. Endlich wird er vom Licht erwischt.
    »Roland!«
    Er sieht nichts außer Licht.
    »Ohayon, verdammt! Nimm die Lampe runter.«
    »Hier! Hier bin ich! Hier, Roland, hier!«
    »Hör auf, mich anzuleuchten!«
    Ohayon senkt den Lichtstrahl. Roland Colbert richtet sich auf und betritt die Lichtung.

    »Hier! Hier liegt sie.«
    Roland Colbert geht zu Ohayon, ignoriert die Leiche. Es ist keine Leiche, es ist ein weißer Hügel.
    »Wo steht denn dein Auto? Da war keins auf dem Parkplatz.«
    »Ich bin von der deutschen Seite her rangefahren.« Ohayon zeigt über das Haus auf die andere Seite der Lichtung. »Du weißt doch, Roland, ich gehe nicht gerne. Von der anderen Seite ist es einfacher. Deshalb. Kalt ist es, oder? Minus sechs, haben sie im Radio gesagt!«
    Roland Colbert reicht Ohayon die Plastiktüte.
    »Was ist da drin?«
    »Pullover, Schal. Unterhose hab ich dir nicht mitgebracht.« Roland Colbert blickt rüber zum Hexenhaus. »Hat die sie gefunden?«
    »Ja. Marie Darlan. Siebenundsechzig. Lebt allein. Ist vor vier Jahren gestorben. Ihr Mann, meine ich. Conrey war kurz bei ihr und meint, die Alte kennt das Mädchen. Sie war wohl ein paar Mal mit Madame Darlans Enkel hier. So

Weitere Kostenlose Bücher