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Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Titel: Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Wittekindt
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sieht’s aus.«
    »Wie heißt der Enkel.«
    »Siebzehn. Max heißt er.«
    »Wozu die Suchmannschaft? Ich hab Hunde im Wald gehört.«
    »Ja. Hunde. Aber keine Suchmannschaft. Das sind die von der freiwilligen Feuerwehr. Resnais hat die aufgescheucht. Die werden sich gefreut haben. Bei der Kälte …«
    Der Kommissar unterbricht ihn. »Warum?«
    »Ja, wir … Resnais hatte wohl noch einen zweiten Anruf. Als Conrey und ich schon unterwegs waren. Jemand hat gesagt, dass ein Junge und ein Mädchen im Wald sind. Es ist minus sechs Grad. Ich meine, wenn da jetzt noch einer rumläuft, dann ist es eine Frage der Zeit, oder?«
    »Wer hat angerufen?«
    »Anonym. Eine Männerstimme, hat Resnais gesagt. Es war merkwürdig. Er rief an, legte mitten im Gespräch auf und rief dann noch mal an. Komisch, oder? Das ist doch komisch! Da fragt man sich …«
    Roland Colbert macht eine kleine Geste und Ohayon schweigt. Der Kommissar ignoriert die Leiche noch immer. Wozu soll er einen Schneehügel ansehen? Er blickt wieder zum Hexenhaus hinüber, wägt Denkbares ab. Schräg hinter dem Haus steht noch ein Gebäude. Ein großer Schuppen. Ein Drittel des Schuppens ist offen. Nur überdacht. Roland Colbert blickt vom Haus zum Schuppen, vom Schuppen zum Wald. Er schätzt Entfernungen ab. Fragen tauchen auf. Von wo kam sie? Vom Parkplatz? Vom Haus?
    »Hat Madame …«
    »Darlan.«
    »Hat die was gesagt, ob die Kleine bei ihr war? Zu Besuch oder so?«
    »Nee, hat sie nicht gesagt. Sie hat nur gesagt, dass sie die Tote gefunden hat. Das hätte sie ja erwähnt, oder?«
    »Hast du sie gefragt?«
    »Gefragt? Nein, nicht.«
    »Gibt es hier eigentlich keine richtige Zufahrt?«
    »Na ja, doch. Auf der anderen Seite der Lichtung ist ein Waldweg! Da kann man wohl zur Not durchfahren. Würde ich aber nicht machen, wenn man nicht sieht, was drunterist. Unter dem Schnee. Der führt nach Deutschland. Wir sind hier aber noch in Frankreich. So gerade noch. Von da kommt man jedenfalls einfacher her. Da steht ja auch mein Wagen. Also ich meine, vorne am Abzweig.«
    »Und warum schickst du mich durch den Wald?«
    Roland Colbert blickt Ohayon an, der überlegt. Dann fällt ihm was ein.
    »Ist doch verrückt, oder?«
    »Was?«
    »4. November und so viel Schnee! Ich hab mal einen Film gesehen, da hat auch das Wetter verrückt gespielt. So viel Schnee am 4. November! Wahrscheinlich ist morgen alles wieder weg. Was meinst du, Roland?«
    Roland Colbert ist Kommissar, kein Prophet. Ohayon erhält also keine Antwort. Acht Männer in weißen Anzügen kommen. Sie kommen aus der Richtung des Waldweges, weil es von da leichter ist.
    Ohayon instruiert sie. »Grenier war am Schuppen. Da könnte was sein. Ihr müsst euch beeilen, ehe alles einschneit. Nun ja, und hier brauchen wir erst mal Licht.«
    Einer der Männer schaut Ohayon finster an. Dann werden Stative mit Lampen aufgebaut. Es dauert ein Weilchen, bis alles soweit ist.
    Ohayon zieht sich den Pullover über seinen Blouson. Da der Pullover ihm drei Nummern zu groß ist, rutscht er glatt über den Bauch. Nachdem er sich auch noch den Schal um den Hals gewickelt hat, geht es ihm deutlich besser.
    »Danke. Lange Unterhose, da hätte ich auch drauf kommen können. Obwohl das ja nicht gerade sexy ist.«
    Roland Colbert blickt ihn an. Kein Ausdruck. Keine Interpretation.
    Ein zweiter Stromgenerator wird angeworfen. Ein Mann kommt mit einem tragbaren Gebläse, grüßt wortlos, schaltet das Gerät ein. Die anderen Männer bringen zwei Scheinwerfer mit Stativen, stellen sie auf. Licht. Geräusche. Die Hunde im Wald bellen aufgeregt. Das Licht beleuchtet denSchneehügel. Der Mann will das Gebläse auf den Hügel richten, der Kommissar hält ihn zurück.
    »Hat Grenier alles gesichert?«
    Ohayon nickt. »Hat sie. Fotografiert hat sie auch schon alles. Die war echt schnell. Hat sich total beeilt, frag mich nicht warum.«
    Roland Colbert nickt, wie vor ihm Ohayon genickt hat, weil ein knappes Nicken bei minus sechs Grad mehr als genug ist, und der Mann beginnt, den Schnee wegzupusten. Es dauert eine Weile. Sieht aber interessant aus. Ohayon zeigt hin und wieder auf die Stellen des Körpers, die gerade auftauchen, bezeichnet sie. Es wäre nicht nötig, das zu tun. Schließlich ist alles zu sehen. Becken und Beine seitliche Lage, ein Bein leicht angezogen. Oberkörper und Kopf gedreht. Die Augen sind auf.
    Blickt geradewegs in den Himmel. Roland Colbert betrachtet das Mädchen. Blut. Haare. Kurzer, silberner Rock. Ein dünner Mantel.

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