Schneespuren gibt es nicht (German Edition)
würden seine Eltern das aufnehmen? Berti kannte seinen Vater nur zu gut. Schwul sein passte nicht in dessen Welt. Da war er sich sicher. Mutter Schmadtke würde ihre Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Ach Goddla!, hörte er sie im Halbschlaf rufen. Sein Onkel Ernst tauchte auf. Er hatte wieder einen blöden Witz auf Lager. Berti winkte ab. Er wollte ihn nicht hören. Er drehte sich um. Konnys Atemzüge klangen gleichmäßig. Der beste Mann der Welt träumte sicherlich schon. Berti lauschte dem Heulen des Windes, dem Prasseln des Feuers und schlief ein.
Mit der aufgehenden Sonne wachten sie auf. Konny stand auf und streckte sich. „Ich habe so gut wie schon lange nicht mehr geschlafen!“
Berti gähnte. „Am Schluss wurde es allerdings frisch.“ „Sieh mal raus. Die Landschaft ist herrlich weiß!“ Berti stand auf, stolperte über die Asche des Lagerfeuers und stellte sich neben Konny in den Eingangsbereich. So etwas hatte er noch nie gesehen. „Das ist ja mindestens ein Meter Schnee!“ „Weißt du, was ich noch nie im Leben gemacht habe?“ „Nein!“ „Schneeengel!“ Berti begann zu grinsen! „Ich bin erster!“ Beide sprangen gleichzeitig in die weiße Pracht, sanken ein, legten sich auf den Rücken und ruderten mit Händen und Beinen. Sie waren glücklich, fühlten sich großartig. Für einen Augenblick waren sie unbeschwert herumalbernde Kinder, die im Neuschnee spielten. „Wir sind im Urlaub angekommen, Herr Schmadtke“, scherzte Konny. „Was Sie nicht sagen, Herr Wels.“ „Sag mal, was riecht hier so komisch?“ Berti setzte sich auf. „Es qualmt so komisch aus der Scheune!“ „Das Lagerfeuer!“, schrie Konny entsetzt. „Verdammt, ich bin vorhin versehentlich in die Asche getreten. Es muss noch Glut darin gewesen sein!“ Der Rauch wurde stärker. „Der Trolley!“, stieß Konny aus. Geistesgegenwärtig rannte er zurück in die Scheune. „Schatz! Pass auf!“, warnte Berti und eilte hinterher. Flammen züngelten sich nach oben. Der Rauch wurde immer dichter. Konny hustete. Er tauchte mit dem Trolley wieder im Eingangsbereich auf. Berti versuchte indessen den Anhänger aus der Scheune zu ziehen, doch er bewegte sich keinen einzigen Zentimeter. „Vergiss es! Er ist zu schwer!“ „Was habe ich nur getan?“ „Es war ein Unfall!“ „Was sollen wir machen?“ „Wir nehmen den Schlitten!“ Binnen Sekunden packten sie den großen Schlitten, stellen ihn auf die Kufen und zogen ihn aus dem Stall. Der Dachstuhl hatte Feuer gefangen. „Weg hier!“ „Setz dich drauf und nimm den Trolley, ich schiebe an!“, plärrte Berti panisch. In seiner Stimme lag eine Mischung aus Angst und schlechtem Gewissen. Konny setzte sich auf den Hornschlitten, der von den Einheimischen auch Horen oder Horner genannt wurde, und früher zum winterlichen Transport von Heu und Holz diente. Den Trolley klemmte der Autor zwischen die Knie. Berti schob an. Er keuchte, kämpfte, legte sein ganzes Gewicht in den Kraftakt. Das Kufenfahrzeug bewegte sich. Die Hitze des Brandes war zu spüren. Feuerzungen schossen durch das Dach. Der Heuschober stand lichterloh in Flammen. „Schneller, Berti!“ Stöhnen und ächzen kam als Antwort zurück. Ein Urschrei folgte. „Ahhhh!“ Der Schlitten glitt immer schneller voran. Berti rannte. Er schaffte es aufzuspringen. Sie nahmen immer mehr Fahrt auf. Ein letzter Blick fiel nach hinten. Das Feuer loderte wild. Starker Qualm schoss in den Himmel. „Da wird jemand sauer auf uns sein!“ „Schau lieber nach vorn! Hat das Ding bremsen?“, schrie Konny, nachdem sie mit immer größerer Geschwindigkeit talwärts schossen. „Du musst lenken!“ „Hier gibt es weit und breit kein Lenkrad, du Scherzkeks!“ „Mit den Beinen!“ „Damit halte ich den Koffer fest!“ Der schwere Schlitten raste förmlich durch den Neuschnee. Die Bedingungen für eine Rodelfahrt waren ideal. Die unfreiwilligen Wintersportler hatten fürchterliche Angst. „Wir sterben!“ „Sollen wir abspringen?“ „Nein! Zu gefährlich!“ „Wir rasen auf einen Abgrund zu!“ „Das kann nicht sein!“ „Warum nicht? Wir sind in den Bergen, nicht am Grand Canyon.“ „Hilfeeeee!“ „Ahhhh!“ Sie überfuhren einen verschneiten Felsen, der die Wirkung einer Sprungschanze hatte. Die Kufen hoben ab, das schwere Arbeitsgerät der Bergbauern flog durch die Luft. Begleitet vom panischen Geschrei der Rodler, landete er wieder im Schnee. Die Fahrt ging weiter. „Ein Baum!“ „Wo?“ „Genau vor uns!“
Weitere Kostenlose Bücher