Schneestille
sollen wir denn jetzt machen?«, fragte Zoe.
»Machen? Wir gehen zurück zum Hotel und bleiben noch eine Nacht. Trinken noch was von dem verteufelt teuren, tollen geschmacklosen Wein. Und dann stehen wir in aller Frühe frisch und munter und ausgeschlafen auf und wandern einfach auf der Straße zum Dorf hinaus.«
Und damit hakten sie sich unter und schlurften matt und nervlich am Ende zurück zum Hotel.
Um sich aufzuwärmen gingen sie zuerst in die Sauna und schwammen anschließend im Thermalbecken. Da außer ihnen niemand da war, plätscherte das Wasser seltsam hohl an den Beckenrand; in den leeren Umkleiden hallte es; das Tappen ihrer Füße auf den Fliesen klang einsam und verlassen.
Danach versuchten sie eine geschlagene Stunde lang, sich mit den hoteleigenen Rechnern ins Internet einzuloggen. Aber sie konnten partout keine Verbindung herstellen. Während Zoe es hartnäckig immer wieder probierte, ging Jake die gesamte Liste ihrer Telefonnummer durch und wählte eine nach der anderen. Und eine nach der anderen läutete, ohne dass jemand ranging. Es hob einfach niemand ab.
»Das muss an der Verbindung hier vor Ort liegen. Die Ursache muss irgendwo hier sein«, meinte Jake. »Da muss irgendwas kaputt sein, sonst würde doch irgendwer mal rangehen.«
Auch mit den Mobiltelefonen hatten sie keinen Erfolg.
Jake holte die Kochmütze, die Zoe achtlos auf den Boden geworfen hatte, und machte sich daran, ein Abendessen für sie beide zuzubereiten. Er taute Hühnchen auf und suchte und fand die Gewürze, die er brauchte, um eine süßsaure Sauce für eine asiatische Wokpfanne anzurühren. Er entdeckte einen CD-Spieler und drehte die Lautstärke auf, haute auf Töpfe und Pfannen und verteilte Kopfnüsse an imaginäre kleine Küchenjungs, um sich ein bisschen aufzuheitern. Im CD-Spieler war eine CD mit klassischer Opernmusik, auf der eine jauchzende Mezzosopran-Diven-Stimme wunderbar wohltönende Worte zwitscherte, die er nicht verstand. Er drehte die Gasflammen auf und erhitzte Öl in einer Pfanne, als sei die ganze Küche eine Bühne.
Auf der Edelstahlarbeitsfläche lagen noch die Fleischstreifen und Gemüseschnitze vom Vortag. Alles sah noch genauso frisch und knackig aus wie am Abend zuvor, so als sei es gerade erst geschnitten worden, doch er ließ alles liegen und räumte sich eine andere Arbeitsplatte auf der anderen Seite der Küche frei.
Zoe saß im Restaurant an einem Tisch und wartete. Der Tisch war mit weißem Leinen und Silberbesteck gedeckt. Sie hatte die Hände gefaltet und das Kinn darauf gestützt. Und sie hatte eine Flasche Champagner aufgestöbert.
»Frag erst gar nicht, was die kostet. Wenn sie leer ist, verstecken wir einfach die Flasche. Keiner wird es je erfahren.«
Mit der himmelhochjauchzenden Opernstimme, die über ihrem kerzenbeleuchteten Tisch tanzte, und der anbrechenden Dunkelheit draußen vor dem Fenster saßen sie zum zweiten Mal in dem verwaisten Restaurant. Die Musik war von fast gespenstischer Schönheit und umschwebte wie ein Geist die leeren Tische. Wortlos stand Zoe auf und legte etwas anderes auf; locker-flockige Musik von den Pixies.
»Warum sucht uns niemand?«, fragte sie.
»Weiß ich auch nicht. Keine Ahnung.«
Der Champagner stieg Zoe schnell zu Kopf. Sie tranken sie ganze Flasche aus, dann ging Zoe los und holte noch eine.
»Genieße es«, sagte sie und schenkte ihm reichlich ein, »die beiden Flaschen kosten nämlich ungefähr so viel wie unser gesamter Urlaub.«
»Das ist doch ein Witz.«
»Leider nein. Der steht auf der ›Spezialkarte‹.«
»Was ist denn eine ›Spezialkarte‹?«
»Na ja, es gibt eine Weinkarte, und es gibt eine ›Spezialkarte‹. Die ist für besondere Gelegenheiten. Wenn man auf der normalen Weinkarte nichts findet, was einem teuer genug ist, dann fragt man nach der Spezialkarte. Die ist für besondere Menschen mit anspruchsvollem Gaumen und dickem fetten Hintern.«
»Du bist dir aber schon darüber im Klaren, dass sie uns hierfür drankriegen werden?«
»Nein, werden sie nicht. Wir streiten einfach alles ab und leugnen es rundweg. An den letzten beiden Abenden kam es mir vor, als seien wir beide die letzten Menschen auf der Welt. Ich habe dich ganz für mich allein, nicht mal eine Kellnerin ist da, die dich ablenken könnte. Und insgeheim genieße ich diesen Zustand mit fast perverser Freude. Morgen ist es schon wieder vorbei, und dann werde ich mir womöglich wünschen, ich hätte dir einiges gesagt, als ich dich noch ganz für
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