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Schneestille

Schneestille

Titel: Schneestille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Joyce
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sie nach unten in die Eingangshalle und schauten sich den Kamin an. Den Rußspuren in der Feuerstelle nach zu urteilen verfügte der Kamin über einen funktionierenden Abzug und war nicht bloß zur Dekoration gedacht, auch wenn er allem Anschein nach seit geraumer Zeit nicht mehr benutzt worden war. Jake schlug vor, rauszugehen und Feuerholz zu suchen.
    Jake bemerkte als Erster, dass die Kerzen, die sie angezündet und auf die Rezeptionstheke gestellt hatten, ganz heruntergebrannt waren. Weißes Wachs hatte sich auf die polierte Buchenholzplatte ergossen. »Erinnerst du dich noch an das Ewige Licht?«, meinte er. »Das ist nicht mehr ewig.«
    »Das macht mir Angst«, meinte sie. »Was hat das zu bedeuten?«
    »Es bedeutet, dass die Regeln sich hier ständig verändern. Komm, wir holen Holz.«
     
    Etwa hundert Meter vom Hotel entfernt stand ein altertümliches Häuschen aus blaugrauem Stein mit Balkonen und Fensterläden aus Holz. Womöglich war es noch eins der ursprünglichen Bauernhäuser aus der Zeit, ehe der Skitourismus alles veränderte. Die verwitterten Balken waren uralt, gesplittert, angegraut und grob gemasert, und an einer Seite des Hauses lehnte ein gefährlich windschiefer Unterstand aus Holz gegen die Außenmauer. Unter dem Dach des Unterstands lagerte unter einer Plane ein ordentlich aufgeschichteter Stapel Feuerholz. Jake breitete die Segeltuchplane auf dem Boden aus und begann, Holzscheit um Holzscheit daraufzustapeln, um sie dann mittels der Plane ins Hotel zu schleifen.
    »So ein hübsch ordentlicher Brennholzstapel. Wir sollten uns bei den Bewohnern für ihre Mühe bedanken.«
    Zoe hielt beim Holzscheitschleppen inne. »Ich würde gerne mal einen Blick hineinwerfen.«
    Jake schichtete ungerührt weiter Holz auf die Plane. »Ich weiß nicht, ob das richtig wäre.«
    »Was macht das schon?«
    Während sie unterschiedslos in sämtliche Hotels, Läden und Weinbars des Dörfchens eingefallen waren, hatten sie um die Wohnhäuer bisher einen großen Bogen gemacht. Vielleicht aus Respekt. Vielleicht um die naive Hoffnung zu nähren, eines Tages könnten die Menschen in ihre Häuser zurückkehren, und das Dorf wäre wieder bewohnt. Weshalb auch immer, bisher war es ihnen nicht in den Sinn gekommen, ungefragt in ein Wohnhaus einzudringen.
    »Ich wüsste zu gerne, wer hier gelebt hat«, meinte Zoe.
    Jake stapelte Holzscheite in seinen Armen, während sie um das Haus herum nach hinten ging.
    Die Hintertür war nicht abgeschlossen. Zoe drehte den Türknauf und ging hinein. Sie musste der Versuchung widerstehen, laut Hallo zu rufen und sich bemerkbar zu machen.
    Drinnen war es ziemlich dunkel. Die Tür führte in die Küche, von der man wiederum in ein sehr ordentliches Esszimmer kam, mit alten Stühlen, die um den Tisch herumstanden. Rechts gab es ein weiteres Zimmer, das wohl eine Art Werkstatt sein musste. Es war kalt im Haus, und es roch nach feuchtem Putz und noch etwas anderem, womöglich dem Naphthalin von Mottenkugeln.
    Das Zimmer hatte einen offenen Kamin mit einem Sims, und über dem Sims hing ein Spiegel. Auf beiden Seiten des Simses standen in Messingleuchtern neue Kerzen, noch in Zellophan verpackt. Streichhölzer lagen auch da, also riss Zoe die Folie von den Kerzen und zündete sie an. Dann betrachtete sie ihr Gesicht im Spiegel.
    Die Silberbeschichtung des Spiegels war wolkig geworden und stellenweise abgeblättert oder zu winzigen Löchlein verrostet. Der Spiegel musste schon seit über hundert Jahren dort hängen. In dem schwachen Licht sah sie verbittert aus, und der verrostete Spiegel verpasste ihr unvorteilhafte Sommersprossen. Nicht gerade schmeichelhaft. Sie wirkte hager und ausgezehrt. Die Feuerstelle unter dem Kaminsims war voller Asche. Sie bückte sich und fühlte, ob sie noch warm war, doch sie war feucht und kalt.
    Zwei alte lederbezogene Ohrensessel standen links und rechts des Kamins, mit Spitzendeckchen über der Kopfstütze. Auf den Spitzendeckchen waren dunkle Schatten zu sehen, dort, wo über die Jahre die Hinterköpfe der Bewohner gelehnt hatten. Beinahe glaubte sie, den Talg aus den Haaren der Stuhlbesitzer riechen zu können.
    Gerahmte Fotos von zwei oder drei Generationen der Familie hingen an der Wand, und die in schweren Holzrahmen ausgestellten herkömmlichen Studiofotografien standen in einem seltsamen Kontrast zu den in Chrom und Kunststoff gerahmten kleineren Bildern mit einfach drauflosgeknipsten modernen Schnappschüssen. Zoe versuchte, die

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