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Schneestille

Schneestille

Titel: Schneestille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Joyce
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Decken gemütlich und schaute versonnen in die Flammen. Seltsame Gestalten tanzten darin. Dann schlief sie ein.
    Nachts hörte sie Männer. Sie stiefelten um das Hotel herum. Sie vernahm ihre Stimmen. Sie hörte ihre Stiefel quietschen und durch den Schnee stapfen. Leise redeten sie miteinander. Sie konnte nicht verstehen, was sie sagten, und sie konnte auch nicht aufstehen und aus dem Fenster schauen. Sie war wie gelähmt vor Angst vor den Männern da draußen und dem Halbschlaf, der sie fest umschlungen hielt. Als sie versuchte, sich aufzurichten, konnte sie sich nicht rühren. Sie war wie betäubt. Sie konnte weder Hände noch Füße bewegen. Sie konnte nicht einmal blinzeln. Sie konnte weder sprechen noch nach Jake rufen, weil ihre Lippen versiegelt waren. Sie konnte nichts weiter tun, als ins Feuer zu starren und verschwommen mit ansehen, wie die brennenden Scheite langsam in sich zusammenfielen.

15
    Als sie aufwachten, war das Feuer ausgegangen. Durch die Fenster des Hotels konnte man nicht mehr nach draußen sehen, weil sich dichter Nebel über das Tal gesenkt und neue Schneefälle mitgebracht hatte. Zoe stand in eine Bettdecke gehüllt vor den Glastüren des Foyers. Die Türen waren noch immer mittels der uralten Skier verbarrikadiert. Sie überlegte hin und her, ob sie Jake von den Männern erzählen sollte, die nachts um das Hotel geschlichen waren.
    Sie wollte ihn immer noch schützen, genauso wie er versuchte, sie zu schützen. Aber wovor? Wovor? Tot waren sie schon. Welche Gefahr konnte ihnen da noch drohen?
    Sie hörte, wie er sich streckte und langsam aufwachte. Ohne sich umzudrehen sagte sie: »Da waren Männer, letzte Nacht. Sie sind um das Hotel herumgelaufen. Es sei denn, ich habe das alles nur geträumt. Aber wenn ich geträumt habe, dann wäre das der erste Traum, seit wir hier sind.«
    Er trat hinter sie. Er schniefte und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Ich habe sie auch gehört.«
    Mit blitzenden Augen wirbelte sie herum. »Du auch?«
    Er zog die alten Skier aus den Türgriffen und lehnte sie an die Wand. Dann zog er sich rasch an.
    »Du gehst da nicht raus.«
    »Tue ich wohl.«
    »Das will ich aber nicht. Was hast du gehört? Was hast du letzte Nacht gehört?«
    »Ich habe ein paar Männer gehört, die um das Haus herumgelaufen sind.«
    »Woher weißt du, dass es Männer waren?«, wollte sie wissen und hatte dabei ein Zittern in der Stimme.
    »Na ja, das weiß ich nicht. Aber den Schritten und den Stimmen nach zu urteilen waren es Männer. Ich habe sie atmen gehört. Und ich habe sie husten gehört.«
    »Haben sie versucht hereinzukommen?«
    »Ich glaube nicht. Ich glaube, sie sind bis ans Fenster gekommen, aber sie haben nicht versucht hereinzukommen.«
    »Was, wenn es gar keine Männer waren?«
    »Was sollten es denn sonst gewesen sein?«
    »Was, wenn es Dämonen waren?«
    Worauf er nur spöttisch schnaubte. »Du glaubst doch gar nicht an Dämonen.«
    »Vielleicht ja doch. Ich will nicht, dass du da rausgehst.«
    Energisch stieg Jake in die dicken Skistiefel und fing an, sie zuzuschnüren. »Wir können nicht ewig hier drinbleiben, so viel steht schon mal fest. Ich lasse mich hier nicht einsperren. Wenn da draußen irgendwelche Männer sind, dann will ich wissen, was sie da machen. Und wenn es Dämonen sind, na ja, dann will ich wissen, wie sie aussehen. Kommst du mit?«
    Er streckte die Hand nach ihr aus. Sie rührte sich nicht vom Fleck.
    »Sie können uns nichts tun.«
    »Können sie wohl.«
    »Zoe! Wir sind tot! Wir sind vor geraumer Zeit bei einem Lawinenabgang ums Leben gekommen! Was sollen die uns schon tun? Was um alles auf der Welt können die uns schon antun? Uns noch mal umbringen?«
    Sie blinzelte. Sie wusste ganz genau, was die ihnen antun konnten. Etwas, das Jake wohl nicht in den Kopf wollte. Aber sie sagte nichts. Stattdessen meinte sie bloß: »Warte.«
    Schnell zog sie sich an, stieg in die Stiefel und schlüpfte in die Skijacke, die sie aus einem der verlassenen Läden mitgenommen hatte. Er wartete geduldig. Dann, als sie schließlich fertig war, hielt er ihr die Tür auf, und sie gingen nach draußen.
    Die eisige Kälte griff wie eine Klaue nach ihnen. Die Sichtweite betrug nur wenige Meter. Der feuchte Dunst legte sich auf ihre Gesichter, und der Nebel kroch ihnen in den Hals. Es schneite heftig kleine Flocken.
    Sie gingen um das Hotel herum, suchten nach den Fußspuren, die die Männer in der Nacht mit ihren Stiefeln hinterlassen hatten, und wenn schon nicht

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