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Schneestille

Schneestille

Titel: Schneestille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Joyce
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Flammen setzen konnte.
    »Das Holz hält nicht lange vor«, meinte er. »Irgendwann muss ich noch mal raus, Nachschub holen.«
    »Lieber nicht.«
    »Sieh mal, es sind bloß hundert Schritte die Straße rauf. Selbst im dicksten Nebel kann ich mich da nicht verlaufen. Und so, wie du zitterst, müssen wir das Feuer in Gang halten.«
    »Ich kann doch nichts dafür.«
    »Pass auf, ich nehme jetzt die Plane und schleppe noch eine Ladung Holz hierher. Dann machen wir dir ein schönes Frühstück, ganz altmodisch in der Pfanne über dem offenen Feuer. Klingt das nicht toll?«
    »Nimm die Plane. Pfanne.«
    »Was?«
    Sie schaute ihn aus zusammengekniffenen Augen an. Sie hatte überhaupt keinen Hunger. »Können wir nicht erst frühstücken? Ehe du rausgehst?«
    Er lächelte. »Klar doch.« Und damit rutschte er an sie heran, zog die Decke um ihre Schultern fester und legte den Arm um sie, um sie ein bisschen zu wärmen. Er hielt sie fest, aber es schien, als schweiften seine Gedanken ab und er versinke in ihnen.
    Das Zittern hatte aufgehört. Sie spürte die wohltuende Wärme des Feuers. Fragend schaute sie Jake an. »Alles okay?«
    »Ja. Warum?«
    »Du siehst so …«
    »Ich wollte gerade was machen und kann mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, was es war.«
    »Du wolltest Frühstück machen. In der Bratpfanne. Auf dem offenen Feuer.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja.«
    »Stimmt. Wollte ich. Komisch. Komisch, jetzt fällt es mir wieder ein.«
    Er stand auf und ging in die Küche. Sie schaute ihm nach. Irgendwas stimmte nicht mit ihm. Sie fragte sich, ob er in der Lawine womöglich einen Schlag an den Kopf abbekommen hatte, der ihm jetzt zu schaffen machte. Seine Augen waren immer noch ganz blutunterlaufen. Normalerweise würde man wegen so was ins Krankenhaus gehen. Sie wusste ja nicht mal, ob und wie schwer man sich hier verletzen konnte.
    Und dann musste sie an das Baby denken, das in ihrem Bauch wuchs.
    Jake kam mit einer großen, eingefetteten Bratpfanne, Tellern, Schinkenspeck, Eiern und Brot zurück und machte sich daran, mithilfe der brennenden Holzscheite eine ebene Fläche zu schaffen, auf die er die Pfanne stellen konnte. »Der Gefrierschrank läuft nicht mehr. Wir sollten den Speck aufbrauchen, solange es noch geht. Bald wird alles schlecht, und in ein paar Tagen haben wir nur noch Dosenfraß zu essen.«
    Er legte Speckstreifen in die Pfanne. »Hunger?«
    Sie tat, als ob.
    »Ist wie beim Zelten«, meinte er.
    Aufmerksam schaute sie zu, wie er die Pfanne auf die Flammen stellte, und musste die Tränen zurückhalten.
    Schweigend saßen sie da und aßen, bis er schließlich sagte: »Erinnere dich für mich. Erinnere dich daran, wie Speck schmeckt.«
    »Na ja. Als ich dich kennengelernt habe, warst du Vegetarier.«
    »Wirklich?«
    »Ich habe dich bekehrt.«
    »Echt?«
    »Ist das dein Ernst? Das weißt du nicht mehr? Daran musst du dich doch erinnern!«
    Gequält schaute er sie an. »In letzter Zeit vergesse ich anscheinend eine ganze Menge. Ich versuche, mich zu erinnern, aber es ist einfach nicht mehr da. Ich höre zu, wie du mir Geschichten erzählst von gemeinsamen Erlebnissen, und es kommt mir vor, als würdest du über einen völlig Fremden reden.«
    »Wir kannten uns gerade erst ein, zwei Monate. Achtundvierzig Stunden lang sind wir nicht mehr aus meinem Bett gekommen. Wir sind nur rausgekrabbelt, um aufs Klo zu gehen. Es war erschreckend. Wir konnten einfach die Finger nicht voneinander lassen. Tag und Nacht haben wir gevögelt, zwischendurch höchstens mal ein Nickerchen gemacht, und keinen Happen gegessen. Und irgendwann habe ich gesagt: So, jetzt reicht’s. Ich mache mir jetzt ein Specksandwich. Und du hast gesagt, kann ich nicht, ich bin Vegetarier und so. Und ich meinte, dein Pech, mach doch, was du willst, und dann bin ich in die Küche gegangen und habe mir ein Sandwich gemacht, das nur so triefte vor ausgelassenem Speck und Tomatensoße, und damit bin ich dann zurück ins Schlafzimmer gekommen, und du hast zugeschaut, wie ich es gegessen habe, und als ich fertig war, habe ich gesagt, wie schade, jetzt kannst du mich gar nicht mehr küssen, weil du sonst das ganze Fett vom Speck an den Lippen hast. Ekelhaft, hast du gesagt, das ist ja ekelhaft; und dann hast du mich geküsst. Und dann hast du den Kopf in den Nacken gelegt, dir die Lippen abgeleckt und gesagt: Tja, das war’s.«
    »Ich hab gesagt: ›Tja, das war’s‹?«
    »Du hast gesagt, tja, das war’s, neun Jahre Vegetariersein, und das

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