Schneetreiben
zufrieden. »Wenn das Mädchen uns
nicht dazwischengepfuscht hätte, dann säße Probst jetzt fest«, grummelte er.
Hambrock war sich da nicht so sicher, doch er schwieg lieber.
»Dieses verfluchte Wetter«, meinte sein junger Kollege, der neben
ihm saß. »Wie soll man da eine Verfolgung aufnehmen?«
Hambrock lehnte sich zurück und dachte nach. Er war gerade erst auf
dem Hof eingetroffen. Nachdem Ingeborg die Schneeketten im Keller gefunden
hatte, war er sofort losgefahren, um nach dem Rechten zu sehen. Er hatte
geglaubt, dass alle bereits schliefen, doch zu seiner Überraschung hatte
Kerzenlicht hinter dem Küchenfenster gebrannt, und die ganze Familie war auf
den Beinen gewesen, mitsamt den Gästen von der Landjugend und zwei
aufgebrachten Kollegen einer Observationseinheit, die er im Haus von Dorothea
Probst vermutet hatte.
Nachdem die Kollegen ihm geschildert hatten, was geschehen war,
hatte er die Familie gebeten, nebenan in der Diele zu warten. Er wollte sich
zunächst einen Überblick verschaffen.
»Wie weit haben Sie seinen Spuren folgen können?«, fragte er.
»Wir haben sie auf der Wiese hinter der Bushaltestelle verloren. Bei
dem Schneefall und vor allem bei dem starken Wind bleiben die Spuren nicht
lange erhalten.«
»Das heißt, er ist wieder einmal wie vom Erdboden verschluckt.«
Hambrock sah von einem zum anderen. »Das Unwetter könnte dieses Mal aber auch
für uns spielen. Probst muss nämlich schnell einen Unterschlupf finden, und
zwar in unmittelbarer Umgebung. Er muss sich in Sicherheit bringen und das Ende
des Sturmtiefs abwarten. Das schränkt die möglichen Verstecke stark ein. Wir
stehen vielleicht gar nicht so schlecht da, wie wir denken.«
Die beiden Beamten wirkten nicht sonderlich überzeugt.
»Er könnte versuchen, bei seiner Mutter unterzukommen«, schlug der
eine vor.
»Das habe ich auch gerade gedacht«, sagte Hambrock. »Sie beide
sollten baldmöglichst dorthin zurück. Behalten Sie Dorothea Probst im Auge. Es
kann gut sein, dass sie mehr weiß, als sie uns anvertraut hat. Aber wo sonst
könnte er sich verstecken?«
Die Wetterlage würde es Martin Probst nicht leicht machen, es gab
keinen Strom, kein Wasser und keine Möglichkeit, Birkenkotten zu verlassen. Sie
erstellten eine Liste, doch die Zahl der infrage kommenden Verstecke war nicht
sonderlich lang, und keines davon erfüllte seinen eigentlichen Zweck. Entweder
bot es Probst nicht ausreichend Schutz vor dem Unwetter, oder die Gefahr, dort
entdeckt zu werden, war zu groß.
Schließlich ging Hambrock hinüber in die Diele. Am wiederentfachten
Feuer saßen die Eheleute Burtrup und ihre drei Söhne, daneben Lina Wendland und
Marc Tenholte, und auf der Bank dahinter hockte Klara Merschkötter, die mit
verschlossenem Blick zu Boden sah.
War sie wirklich alleine hinausgegangen, um Martin Probst zu
stellen?, fragte Hambrock sich. Bei allem Wahnsinn, der hinter dieser Tat lag,
bewunderte er das Mädchen für seinen Mut und seine Unerschrockenheit.
Er setzte sich mit ans Feuer. Die beiden Kollegen folgten ihm in die
Diele.
»Martin Probst kann nicht weit gekommen sein«, sagte Hambrock. »Das
Wetter zwingt ihn, in Birkenkotten zu bleiben. Ich benötige nun Ihre Hilfe,
schließlich leben Sie hier und kennen sich aus. Wir suchen nach einem Ort, an
dem Martin Probst sich vor dem Unwetter in Sicherheit bringen kann. Einem Ort,
an dem er nicht Gefahr läuft, entdeckt zu werden.«
Er nahm die Liste und las die Verstecke vor, die sie bereits
zusammengetragen hatten.
»Diese Orte sind uns eingefallen. Ein gutes Versteck ist allerdings
nicht dabei. Vielleicht fällt Ihnen etwas ein. Denken Sie nach. Welcher Ort
käme infrage, der nicht auf dieser Liste steht?«
Zunächst sagte keiner was. Doch dann räusperte Klara sich und hob
die Hand.
»Das Vereinshaus des Fußballclubs.«
Hambrock starrte sie an. »Natürlich! Das Vereinshaus.«
Wie hatte er das vergessen können? Für diese Sturmnacht wäre es das
ideale Versteck. Keine Menschenseele würde sich dorthin verirren. Er wandte
sich an die Kollegen, die hinter ihm standen. Ihnen schien unbehaglich zumute
zu sein.
»Ich weiß nicht, ob wir unter diesen Umständen hingehen sollten«,
gab der Jüngere kleinlaut zu bedenken. »Es könnte darauf hinauslaufen, dass wir
das Gebäude stürmen müssen.«
»Ohne Verstärkung habe ich auch kein gutes Gefühl«, flüsterte der
Dicke.
»Ich wüsste nicht, wie wir Verstärkung herbeiholen sollten«, sagte
Hambrock. »Es sei denn, wir
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