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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Lina stürmten herein.
    »Mama, ich kann die Sturmlichter nicht finden! Im Keller sind sie jedenfalls
nicht.«
    »Wir haben da unten alles auf den Kopf gestellt«, bestätigte Lina.
»Fehlanzeige.«
    Ingeborg blickte die beiden verwirrt an.
    »Ähm … dann müssen sie im Vorratsraum neben der
Grillkohle stehen«, sagte sie.
    Klara lief an ihr vorbei zum Vorratsraum und verschwand mit ihrer
Taschenlampe im Innern. Zurück blieben Ingeborg und Hambrock, die verlegen auf
den Boden starrten, und Lina, der die sonderbare Stimmung sofort auffiel. Sie
blickte ungeduldig zur Vorratsraumtür und wartete, dass Klara endlich zurückkehrte.
    »Und wofür braucht ihr die Fackeln?«, nahm Hambrock das Gespräch
auf.
    »Sie sollen den Weg zum Partyraum markieren. Im Moment steht da noch
Bertolts Trecker mit eingeschalteten Scheinwerfern, aber auf Dauer macht das
die Batterie nicht mit.«
    »Aha.« Mehr fiel ihm dazu nicht ein.
    Von nebenan rief Klara: »Ich hab sie!«, dann kehrte sie zurück,
wedelte mit den Fackeln und steuerte die Diele an. »Was ist mit euch?«, fragte
Klara. »Kommt ihr nicht mit?«
    »Wir kommen nach. Sobald ich mit den Kartoffeln fertig bin.«
    »Also gut. Dann bis später.«
    Die beiden jungen Frauen verschwanden.
    Hambrock blickte scheu zu Ingeborg hinüber. Mit jeder Faser seines
Körpers wollte er zu ihr. Was geschieht nur mit mir?, fragte er sich.
    »Soll ich dir bei den Kartoffeln helfen?«
    Sie blickte nicht auf. »Nein, nicht nötig.«
    »Gut. Ich gehe dann mal ins Nähzimmer.«
    »Ich sage dir Bescheid, wenn ich fertig bin.«
    Hambrock setzte sich auf das Feldbett und wartete. Ingeborg ließ
sich Zeit. Durch das schmale Fenster konnte er hinüber zum Hof der
Lütke-Brünings sehen. Inzwischen waren die Partyfackeln aufgestellt worden.
Dunkle Gestalten bewegten sich auf dem Hof und vor dem schwach leuchtenden
Eingang des Partyraums.
    Er öffnete das Fenster und lauschte in die Nacht hinaus. Tatsächlich
konnte er leise Musik hören, irgendwo lag helles Lachen in der Luft.
    Vorsichtig schloss er das Fenster wieder und setzte sich aufs Bett.
Er wartete. Doch Ingeborg ließ nichts von sich hören, daher stand er auf, um in
die Küche zu gehen.
    Er stieß mit ihr in der Tür des Nähzimmers zusammen. Offenbar hatte
sie ihn gerade holen wollen. Sie sahen sich erschrocken an. Keine Armlänge
voneinander entfernt. Sein Bauch zog sich zusammen. Ihm wurde schwindelig.
    Dann fielen sie übereinander her. Für Hambrock spielte nichts mehr
eine Rolle. Er wollte nur noch Ingeborg und ihren Körper.
    Als sie ihn von sich wegdrückte, begriff er zunächst nicht, was
geschah. Er verstand nur, dass etwas sie trennte, eine unsichtbare Hand. Er
versuchte, sich dagegen zu wehren, doch Ingeborg hatte sich befreit und wich
zurück.
    Sie klammerte sich an den Türrahmen.
    »Verdammt, Bernhard! Du hast eine Frau!« Sie drückte sich an der
Wand entlang und vergrößerte den Abstand. »Weißt du eigentlich, wie lange ich
mich schon nach so etwas sehne? Wie lange ich keinen Mann mehr in meinem Bett
hatte? Muss etwa ich mich jetzt zusammenreißen und
nein sagen? Muss ich diejenige sein, die vernünftig
ist?« Sie stieß verärgert die Luft aus. »Du verdammter Mistkerl. Jetzt
überlässt du es auch noch mir, nein zu sagen. Das wäre wirklich dein Job
gewesen.«
    Damit verschwand sie in der Küche und schlug die Tür hinter sich zu.
    Hambrock taumelte zurück und ließ sich auf das Feldbett sinken. Was
war er doch für ein Idiot. Er fühlte sich schuldig, nicht nur Ingeborg gegenüber.
Am meisten schämte er sich beim Gedanken an Erlend.
    Ein lautes Donnern ließ ihn zusammenfahren. Zuerst dachte er,
Ingeborg würde mit Dingen um sich werfen, doch dann begriff er, dass das
Geräusch aus der Diele drang. Irgendjemand klopfte laut an der Haustür.
    Er sprang von seinem Feldbett auf, nahm die Kerze vom Nachttisch und
lief in die Diele. Ingeborg war an der Küchentür erschienen und blickte ihn
verunsichert an. Er gab ihr ein Zeichen und öffnete die Tür.
    Im schwachen Kerzenschein trat ein alter Mann vor. Es war Alois
Lütke-Brüning, Bertolts Vater. Seine Stimme war aufgeregt und brüchig.
    »Herr Kommissar! Gut, dass ich Sie antreffe. Sie müssen zu uns
kommen, etwas Furchtbares ist passiert.«
    Ingeborg eilte wie ein Schatten herbei. »Klara?«, fragte sie
ängstlich. »Ist ihr etwas passiert?«
    Der alte Bauer sah sie verwundert an. »Nein, es geht um Jens«, sagte
er, »um Jens Burtrup.«

24
    Es war kalt hier unten, kalt

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