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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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der Wand und
rauchte. Als er Hambrock entdeckte, machte er ein finsteres Gesicht, warf die
Zigarette in den Schnee und kehrte zurück in den Partyraum.
    »Worauf warten Sie?«, rief Lütke-Brüning.
    Hambrock folgte ihm eilig ins Haus. In der Diele hatte sich eine
Handvoll Nachbarn mit besorgten Gesichtern um das Herdfeuer versammelt. Keiner
sagte etwas, alle sahen zu dem leblosen Körper hinab, der in Decken gewickelt
vor dem Feuer lag. Es war Jens.
    Seine Mutter hatte seinen Kopf auf ihren Schoß gelegt, sie fuhr mit
der Hand durch sein Gesicht und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    Als Hambrock eintrat, drehten sich alle um und nahmen ihn in
Augenschein. Er nickte knapp in die Runde.
    »Ist ein Krankenwagen gerufen worden?«, fragte er.
    »Der ist unterwegs«, antwortete jemand. »Dauert bei den
Straßenverhältnissen allerdings ein bisschen, haben die gesagt.«
    Hambrock trat näher.
    »Ein Nachbar hat ihn gefunden«, erklärte Lütke-Brüning. »Jens hat
sich im Eichenhof betrunken, und als er hinausgetaumelt ist, war er so
besoffen, dass der Wirt den Nachbarn hinterhergeschickt hat, um sicherzugehen,
dass der Junge auch gut nach Hause kommt. Dieser Nachbar hat eine Weile später
Jens’ Traktor verlassen am Baggersee gefunden. Der Junge muss auf die Idee
gekommen sein, schwimmen zu gehen. Ohne Hemd und mit heruntergelassenen Hosen lag
er am Ufer im Schnee. Bis ins Wasser hat er es nicht geschafft, er ist über
seine Hosenbeine gestolpert und einfach liegengeblieben. Zum Glück, muss man
sagen, denn im Wasser wäre er schneller erfroren.«
    Frau Burtrup schloss den schlaffen Körper in ihre Arme. Aus dem
Flüstern wurde ein Wimmern. Die Nachbarn standen mit betroffenen Gesichtern im
Halbkreis darum, keiner wagte etwas zu sagen.
    Hambrock wandte sich an Ingeborg.
    »Gibt es nicht Thermoskannen mit heißem Wasser? Mach einen Tee mit
viel Zucker.«
    Er hockte sich neben Jens, entwand ihn seiner Mutter und versetzte
ihm Ohrfeigen. Widerwillig kam Jens zu sich.
    »Er muss wach bleiben«, sagte er zu Frau Burtrup. »Legen Sie seine
Beine hoch und bewegen Sie sie. Das Gleiche gilt für die Arme.«
    Der Befehlston riss sie aus der Lethargie. Sie nickte benommen und
tat, was ihr gesagt wurde.
    Hambrock überlegte fieberhaft, was er sonst noch im Erste-Hilfe-Kurs
über Erfrierungen gelernt hatte. Mit dem heißen Wasser aus der Thermoskanne
würden sie nicht weit kommen.
    »Jemand muss den Heizstrahler aus dem Partyraum holen«, sagte er.
»Wir brauchen Wärme.«
    Zwei Nachbarn machten sich auf den Weg, Lütke-Brüning wies ihnen den
Weg. Sie schienen froh zu sein, etwas tun zu können.
    In der Küche ertönte ein Kichern. Die Tür schlug auf, und zwei junge
Frauen tauchten lachend und feixend in der Diele auf. Es waren Klara und Lina,
offenbar wollten sie zur Toilette.
    Nicht jetzt!, dachte Hambrock, doch da war es schon zu spät. Bevor
er reagieren konnte, schrie Frau Burtrup: »Ruhe! Was lacht ihr so blöd!«
    Die beiden schraken zusammen. Dann erkannte Klara die in Decken
gehüllte Gestalt am Feuer und schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund.
    »Ach, du bist das!«, rief Jens’ Mutter ungehalten, in ihren Augen
lag ein zorniges Funkeln.
    »Frau Burtrup, bitte …«,
versuchte es Hambrock.
    Doch sie achtete nicht auf ihn.
    »Das ist alles deine Schuld«, rief sie der verdatterten Klara
entgegen. »Du hast meinen Jungen so weit gebracht! Er trinkt doch nur so viel,
weil du ihn zugrunde richtest. Du bist so kalt, du lässt ihn an deiner Seite
erfrieren. Und er schafft es nicht, dich fortzujagen.«
    »Frau Burtrup!«, polterte Hambrock. »Reißen Sie sich zusammen!«
    Klara wirkte wie gelähmt. Ohnmächtig starrte sie Jens Mutter an,
dann drehte sie sich um und lief davon.
    »Klara!«
    Hambrock rannte hinterher. Er folgte ihr auf den Hof, wo er sie über
den Fackelweg davonlaufen sah. Weiter kam er nicht, Christoph Ortmann fing ihn
am Tennentor ab. Er hatte dort auf ihn gewartet.
    »Herr Hambrock, ich muss mit Ihnen reden.«
    »Jetzt nicht, Herr Ortmann.«
    »Bitte! Es ist wichtig!«
    Lina Wendland kam ebenfalls aus dem Tennentor gelaufen und hielt
hektisch nach Klara Ausschau. Hambrock zog sie zu sich heran.
    »Sie ist dort vorne, siehst du? Lina, du musst sie aufhalten. Lass sie
nicht allein.«
    »Alles klar!«, sagte sie und rannte zum Fackelweg.
    Mit einem Seufzer wandte er sich an Christoph Ortmann.
    »Also gut. Was gibt es denn so Wichtiges?«
    Den jungen Mann kostete es merklich Kraft, die

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