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Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Titel: Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Unfall schon angesehen?«
    »Ja, habe ich.«
    »Und … hast du was Interessantes gefunden?«
    »Nicht wirklich.« Sie atmete tief durch. »Ich fürchte, das ist ein Fass ohne Boden.«
    »Das kann ich mir denken«, knurrte er.
    »Angesichts der Brisanz dieser Sache ist es natürlich verständlich, dass Brieden und sein Informant derart vorsichtig zu Werke gegangen sind«, fuhr sie fort. »Andererseits ist es dadurch natürlich nahezu unmöglich, im Nachhinein noch irgendwas rauszufinden. Alles, was ich habe, sind ein paar Namen, die Brieden mit der Organisation in Verbindung gebracht hat. Aber das sind alles Pseudonyme.«
    »Vielleicht war das alles, was er hatte.«
    »Davon gehe ich aus«, entgegnete Winnie. »Deshalb war sein Interesse an Jerrys mysteriöser Liste ja so groß. Leider gibt es nirgendwo in den Akten einen Hinweis auf Jerrys wahre Identität. Und du weißt ja, wie sich die vom BKA immer mit ihren V-Leuten betun.« Sie ließ sich auf die nackte Holzbank vor den Spinden fallen und streckte frustriert die Beine von sich. »Um da ranzukommen, müsste ich schon mehr in der Hand haben als einen Verdacht und eine Portion gesunden Menschenverstand.«
    »Was das angeht, kann ich vielleicht was für dich tun …«
    »Wie das?«
    »Na ja«, Bredeney klang zufrieden, »ich kenne bei der SO jemanden, der mir noch einen Gefallen schuldig ist.«
    »Im Ernst?«
    »Gib mir ’ne halbe Stunde. Dann rufe ich dich wieder an.«
    4
    »Jerry« trug im wahren Leben den profanen Namen Bernd Zieser und hatte bis zu seinem Verschwinden im Jahr 1989 in einer vor Dreck starrenden WG im Norden Frankfurts gehaust. Er hatte einen schwarzen Gürtel in nicht weniger als drei Kampfsportarten besessen und nach einem vergeigten Abitur zunächst eine Weile als Türsteher in verschiedenen Frankfurter In-Clubs gearbeitet, von wo aus er sich zielstrebig und weitgehend unbehelligt von moralischen Skrupeln zur rechten Hand von Paolo Marese emporgearbeitet hatte, einem der führenden Drogenbosse seiner Zeit. Doch diese wenig ansprechenden biographischen Eckdaten waren nur eine Seite der Medaille.
    Die andere war inzwischen achtundsiebzig Jahre alt und lebte noch immer in dem Haus, in dem ihr verschwundener Sohn eine zwar vaterlose, alles in allem aber behütete und sorgenfreie Kindheit verbracht hatte.
    »Danke, dass Sie sich Zeit für mich nehmen«, sagte Winnie, nachdem sie in Dorothea Ziesers blitzsauberem Flörsheimer Wohnzimmer Platz genommen hatte.
    »Aber das ist doch selbstverständlich«, antwortete die alte Dame, deren ausdrucksvoller Schönheit selbst eine ganze Reihe von schweren Schicksalsschlägen nichts hatte anhaben können.
    »Leider habe ich keine Neuigkeiten über Ihren Sohn«, beeilte sich Winnie klarzustellen, bevor sich die alte Dame falsche Hoffnungen machte.
    Doch damit schien Dorothea Zieser auch nicht gerechnet zu haben. »Bernd war kein schlechter Junge«, sagte sie scheinbar zusammenhanglos. »Er hatte nur die falschen Freunde. Und die falsche Art von Ehrgeiz.«
    Winnies Augen fielen auf ein Kinderfoto von Jerry/Bernd, das einen hübschen blonden Jungen mit wachen Augen zeigte. »Sie wussten, was er tat?«
    Lachen. »Er erzählte mir nicht viel, weil er mich nicht in Gefahr bringen wollte. Aber ich bin ja nicht blöd.«
    Nein, dachte Winnie, das bestimmt nicht.
    »Und dass er als Informant für die Polizei gearbeitet hat …«
    »… war mir bekannt«, ergänzte ihre Gesprächspartnerin. Und mit einem leisen Lächeln fügte sie hinzu: »Ich glaube, das war seine Art von Kompromiss.«
    »Kompromiss?«, fragte Winnie.
    Dorothea Zieser seufzte. »Bernds Vater war – entschuldigen Sie den Ausdruck –, aber er war ein Schwein. Und schon allein aus diesem Grund habe ich alles getan, um Bernd zu einem anständigen Menschen zu erziehen.« Sie zögerte, allerdings nur kurz. »Unter den gegebenen Umständen werden Sie das vermutlich nicht verstehen, aber ich habe trotz allem das Gefühl, dass es mir gelungen ist. Das ist es, was ich mit Kompromiss meine.«
    Winnie nickte ihr zu, ohne zu wissen, was sie davon halten sollte. Mütter waren in Bezug auf ihre Kinder nicht objektiv. Mütter
konnten
gar nicht objektiv sein. Andererseits war man oft überrascht, wie nüchtern sie dachten, wenn sie sich erst einmal entschlossen hatten, die Wahrheit zu sagen und nicht das, von dem sie glaubten, dass die Gesellschaft es von ihnen erwartete.
    »Was ich nicht verhindern konnte, war, dass mein Sohn immer und überall zu hoch hinaus

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