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Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Titel: Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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ich mich in einer bestimmten Angelegenheit verhalten soll und … Ach was, ich muss einfach nachdenken.«
    »Manchmal hilft es, wenn man mit einem Außenstehenden darüber spricht.«
    Ein kurzer, blitzgescheiter Blick aus den Augenwinkeln. »Also schön, vielleicht haben Sie recht.« Sie holte tief Luft. »Es geht um Ilse.«
    »Die Frau, die den Unfall hatte?«
    »Ja, genau.«
    Winnie bemühte sich, ihre Neugier unter einem Mantel aus neutraler Höflichkeit zu verbergen. Doch sie hatte das Gefühl, dass es ihr nur unvollkommen gelang. »Was ist denn mit ihr?«
    »Ich habe etwas über sie gehört, dass mich einfach nicht mehr loslässt.« Elisabeth Fersten seufzte. »Weil es … nun ja, es ist ein ziemlich eigenartiges Zusammentreffen. Aber es muss auch nicht zwingend etwas bedeuten. Ich meine …« Ihre sonore Stimme verlor sich in einem unverständlichen Murmeln.
    Winnie beobachtete ihr Mienenspiel. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie Elisabeth Fersten als junge Frau Stunde um Stunde über ein Mikroskop gebeugt im Labor zugebracht hatte. »Vielleicht erzählen Sie es mir trotzdem?«
    »Ich bin furchtbar unentschlossen, nicht wahr?«
    »Na ja …«
    Sie lachte. »Ich habe Ihnen doch erzählt, dass ich Ilses Tod nicht verstehe …«
    »Ja«, nickte Winnie. »Weil sie trotz ihrer Erkrankung eigentlich ganz gut zurechtkam.«
    Elisabeth Fersten nickte auch. »Das hat mich nicht losgelassen. Dass ich … Ich konnte mir einfach nicht erklären, weshalb sie getan haben sollte, was sie getan hat, verstehen Sie? Aber jetzt habe ich durch Zufall erfahren, dass Ilse kurz vor ihrem Tod der Überzeugung war, verfolgt zu werden. Und das erklärt es natürlich.«
    »Verfolgt?« Winnie hob die Brauen. »Von wem?«
    »Von der Gestapo.«
    Verdammt!, dachte Winnie, als ihr einfiel, dass Keela D’Aabi ihr exakt dasselbe erzählt hatte. Aber dieser ganze Fall war so vielschichtig, dass ihr das einfach entgangen war!
    »Ich weiß, es klingt total verrückt«, rechtfertigte sich Elisabeth Fersten, die ihren Gesichtsausdruck missdeutete. »Aber es ist nicht verrückt. Es hat nur … es hat nur Ilses ureigenste Farbe, verstehen Sie?« Sie unterbrach sich und schüttelte unwillig den Kopf. »Nein, natürlich verstehen Sie das nicht. Sie können es gar nicht verstehen. Aber auch eine Krankheit wie Alzheimer verhält sich nicht willkürlich. Sie beinhaltet nur, dass das Langzeitgedächtnis der Betroffenen weitaus besser funktioniert als das Kurzzeitgedächtnis. Und deshalb vermischt sich alles. Oder noch schlimmer: Es wird missdeutet.« Sie stutzte. »Sie halten mich für komplett bescheuert, oder?«
    Winnie konnte angesichts der Ernsthaftigkeit dieser Frage nicht verhindern, laut loszulachen. »Nein«, versicherte sie der ehemaligen Pharmakologin ehrlichen Herzens. »Ich halte Sie ganz und gar nicht für bescheuert.«
    Ein amüsiertes Schmunzeln. »Dann ist es ja gut. Also weiter: Ich habe mich gestern Abend mit ein paar von den anderen unterhalten, und dabei kam die Sprache natürlich auch auf Ilse und ihren Tod. Wie das so ist, wenn man ständig aufeinanderhockt und im Alltag nicht mehr viel erlebt.« Sie hob entschuldigend die Achseln. »Jedenfalls erzählte eine Mitbewohnerin bei dieser Gelegenheit, dass Ilse am Morgen ihres Todes regelrecht in Panik gewesen sei, weil zwei Männer sie bis hierher ins Haus verfolgt hätten.«
    Winnie sah sie an, sagte aber nichts.
    »Und jetzt kommt’s.« Elisabeth Fersten richtete sich in ihrem Sessel auf. »In der Nacht vor Ilses Tod konnte ich nicht schlafen und sah zufällig aus dem Fenster. Ich meine …« Sie hob die Hände. »Wir wissen beide, dass sich die Gestapo schon lange erledigt hat. Aber ich habe in dieser Nacht auch zwei Männer gesehen. Das heißt …« Sie unterbrach sich erneut und kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe herum. »Ich glaube, dass es zwei
Männer
waren. Aber ganz sicher bin ich nicht.«
    In der Nacht vor Ilse Brilons Unfall, resümierte Winnie aufgeregt. Das ist die Nacht, in der Joachim Ackermann starb. Und Dr. Gutzkow hatte gesagt, dass sie es mit mindestens zwei Tätern zu tun hatten …
    Laut sagte sie: »Wissen Sie zufällig, um wie viel Uhr das gewesen ist?«
    Elisabeth Fersten nickte. »Ich sehe immer auf die Uhr, wenn ich wach werde. Es war kurz nach Mitternacht.«
    »Und die beiden Personen, die Sie gesehen haben … Kamen oder gingen die?«
    »Sie gingen.«
    »Wohin?«
    Anstelle einer Antwort stemmte Elisabeth Fersten ihren knochigen Körper aus dem Sessel

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