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Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Titel: Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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wollte«, fuhr Dorothea Zieser mit nachdenklicher Miene fort. »Und leider war er nie bereit, dazu einen konventionellen Weg zu gehen.« Sie blickte sich in ihrem Wohnzimmer um, als überlege sie ernsthaft, ob sie nicht zeit ihres Lebens zu spießig gewesen war. »Er hätte ein gutes Abitur machen können. Er war klug genug, alles stand ihm offen. Aber er zog es vor, die Schule schleifen zu lassen, und bekam die Quittung dafür. Und anstatt sich auf den Hosenboden zu setzen und das Versäumte nachzuholen, suchte er nach einem anderen Weg, an Geld zu kommen.«
    »Einem illegalen«, ergänzte Winnie.
    »Ja, leider.« Die alte Dame senkte resigniert den Kopf. »Er hat immer gesagt, diese Dinge seien für ihn nur eine Durchgangsstation. Und in gewisser Weise habe ich ihm das sogar geglaubt. Er wollte immer weg, wissen Sie. Nach Kanada. Schon als Kind.« Ihr Blick verriet Unverständnis. Aber auch Bewunderung. »Aber natürlich wusste er auch, dass er dafür eine ganze Menge Geld brauchen würde. Also ließ er sich mit diesen Leuten ein.«
    »Ihr Sohn war selbst nie drogensüchtig?«
    Zu Winnies Überraschung zögerte die alte Dame bei der Antwort auf diese Frage. »Ich glaube nicht«, sagte sie nach einer Weile. »Aber ich bin nicht sicher.«
    Winnie registrierte ihre Ehrlichkeit mit Anerkennung. Dorothea Zieser war kein Mensch, der sich irgendwelchen Illusionen hingeben musste, um überleben zu können. Sie gehörte zu den wenigen Menschen, die die Wahrheit ertrugen.
    »Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass der Kriminalbeamte, mit dem Ihr Sohn zusammengearbeitet hat, etwa zur gleichen Zeit verunglückt ist, als Ihr Sohn verschwand?«, begann sie vorsichtig.
    Und Dorothea Zieser verstand sofort. »Oh Gott«, sagte sie. Und dann: »Nein, das wusste ich nicht.«
    »Er starb bei einem Autounfall.«
    Jerrys Mutter nickte nur.
    »Es ist lange her«, sagte Winnie, »aber der Tod unseres Kollegen hat durch einen aktuellen Fall neue Brisanz bekommen, und ich hatte gehofft …« Sie biss sich auf die Lippen. »Ich wollte fragen, ob Sie sich vielleicht an irgendwas erinnern, das uns weiterhelfen könnte. Etwas, das die Leute betrifft, mit denen Ihr Sohn zum Zeitpunkt seines Verschwindens zu tun hatte, zum Beispiel.«
    »Ich wusste sofort, dass er tot ist«, erklärte Dorothea Zieser und meinte ihren Sohn. »Gleich nachdem er verschwunden war. Oh, er hat sich oft für längere Zeit nicht bei mir gemeldet. Aber spätestens zu meinem Geburtstag oder zu Weihnachten stand er wieder auf der Matte. Oder rief zumindest an.«
    »Aber seit damals haben Sie nichts von ihm gehört?«
    Kopfschütteln. »Nein. Keinen Ton.«
    »Was ist mit der Zeit vor seinem Verschwinden?«, beharrte Winnie. »Worüber sprach er? Wie sah er aus? Machte er vielleicht irgendwelche Bemerkungen, die wichtig sein könnten?«
    »Wie gesagt hat er mir nie etwas über seine Kontakte oder seine …« Sie suchte eine Weile nach dem richtigen Wort. »… seine Tätigkeit erzählt. Aber wo Sie schon mal explizit danach fragen: Er sah gehetzt aus.«
    Winnie nickte.
    »Ich hab ihn gefragt, ob er in Schwierigkeiten steckt. Und er antwortete, ich solle mir keine Sorgen machen, da sei etwas, das müsse er noch erledigen, und dann …« Sie lachte bitter. »Dann könne er ein neues Leben beginnen.«
    Genau dasselbe hat Ackermann auch gesagt, dachte Winnie bei sich. Und nun ist er tot. Vermutlich sind sie beide tot.
    »Manchmal hat er gefrotzelt.« Auf das feine Gesicht der alten Dame stahl sich ein Abglanz sonnigerer Zeiten. »›Mami‹, hat er gesagt, ›fang schon mal an, Englisch zu lernen. Und am besten auch Französisch. Denn wenn ich erst mal Fuß gefasst habe, kommst du mich natürlich besuchen.‹«
    »In Kanada?«
    »Was das angeht, war er naiv.« Dorothea Zieser bedachte das Kinderfoto ihres Sohnes mit einem nachsichtigen Lächeln. »Kanada war für ihn gleichbedeutend mit kristallklaren Flüssen, Lachsfang und Bären, die direkt vor einem über die Straße laufen.« Sie zuckte die Achseln. »Keine Ahnung, wo er das herhatte. Aber das war sein Ziel. Weg von all dem Dreck, den er mit hier verband, irgendwohin, wo die Luft rein und klar ist und der Himmel bis zum Horizont reicht.«
    Winnie dachte an die Notiz in Alexander Briedens Aufzeichnungen.
Hesperus eventuell bereit, gegen I. auszusagen. Zeugenschutzprogramm obligat.
    »Haben Sie vielleicht noch irgendwelche Sachen von Ihrem Sohn?«, wandte sie sich wieder an ihre Gesprächspartnerin. »Persönliche

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