Schneetreiben
hätte werden sollen, stellte sich die Frage, wer von ihrem Tod profitiert hätte. Was die wirtschaftliche Seite betraf, hatte sie die Antwort bereits geliefert. Ihr Mann war nicht als Erbe eingesetzt und hatte vor allem nicht einmal Interesse an einer Änderung des Testaments zu seinen Gunsten gezeigt, was im Falle eines Mordes aus Habgier naheliegend gewesen wäre. Er fiel insoweit als möglicher Verdächtiger aus. Fest stand, dass die Schwestern sich verblüffend ähnlich sahen.
»Wer hat davon gewusst, Frau Frombach, dass Ihre Schwester und nicht Sie nach Lübeck aufgebrochen sind?«
»Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass mich jemand umbringen wollte?« Der Gedanke schien der Frau so fernliegend, dass sie den Kopf schüttelte.
»Ich stimme meiner Frau zu«, sagte Teubert. »Was fürmeine Schwägerin hinsichtlich ihres untadeligen Charakters galt, gilt natürlich auch für meine Frau.«
»Warum sind Sie eigentlich nicht für Ihre Frau eingesprungen und haben den Termin wahrgenommen?«, fragte Braun.
»Sie können sich vielleicht vorstellen, dass ich als Arzt genug andere Dinge zu tun habe und keine Zeit, nebenbei auch noch den Immobilienmakler zu spielen«, sagte Teubert lächelnd.
»Am Samstag?« Bendt klang verwundert.
»Ja, auch am Samstag«, antwortete der Gutsherr spitz. »Ich erledige samstags gern meine Buchhaltung, weil ich dann im Büro nicht durch Anrufe oder das Tagesgeschäft gestört werde. Wir hätten den Termin darüber hinaus ja auch ohne Probleme verschieben können.«
»Natürlich.« Braun lächelte. Dann wandte er sich wieder Carla Frombach zu.
»Ich möchte Sie bitten, noch einmal genau darüber nachzudenken, wer davon gewusst hat, dass nicht Sie, sondern Ihre Schwester sich gestern in die Wohnung begeben hat.«
Carla Frombach überlegte einen Moment. »Dass ich nach Lübeck fahren wollte, wusste Johannes Hansen, vielleicht auch andere aus dem Stall, keine Ahnung, mein Mann und natürlich meine Schwester.«
Teubert schien zu vermuten, dass man ihn als Ehemann sofort verdächtigen würde, und sagte: »Falls Sie mir jetzt gern die Frage stellen würden, woher ich wusste, dass meine Schwägerin nach Lübeck fuhr und nicht meine Frau, wo ich doch gar nicht auf dem Hof, sondern in meinem Büro war, kann ich Ihnen die Frage gern beantworten. Meine Frau hat mich im Büro angerufen, um unsere Verabredung abzusagen,weil wir eigentlich geplant hatten, nach ihrem Termin noch ein paar Weihnachtseinkäufe in Lübeck zu erledigen und gemeinsam essen zu gehen. Ich war ja ohnehin schon in der Stadt.«
»Gut«, murmelte Braun und nahm sich vor, sich als Nächstes den Stallmeister Johannes Hansen vorzunehmen.
6
Anna war gerade in die Wanne gestiegen und hatte den Hahn zugedreht, als sie hörte, dass unten der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde. Sie fuhr mit den Händen über die weißen Schaumkronen, glitt ein Stück tiefer in das wohlig warme Wasser und schloss die Augen. Keine zwei Minuten später klopfte Bendt an die Badezimmertür und steckte den Kopf herein.
»Habe ich mir doch gleich gedacht, dass ich dich hier finde«, sagte er. »Darf ich reinkommen?«
»Wer sind Sie überhaupt?«, fragte Anna und setzte eine gespielt strenge Miene auf. »Sind Sie nicht dieser Kommissar, der heute wieder einmal versprochen hatte, pünktlich zum Abendessen hier zu sein? Oder sprachst du von morgen? Dann wärst du allerdings sehr pünktlich.«
»Auf jeden Fall finde ich den Zeitpunkt, um hierherzukommen, nicht so schlecht.« Er lächelte. »Also, darf ich reinkommen?«
»Ins Badezimmer meinetwegen, in die Wanne, das kannst du vergessen«, knurrte Anna. »Aber mach die Tür zu, es zieht.«
Bendt schloss die Tür, küsste Anna zur Begrüßung und setzte sich auf den Beckenrand.
»Puh, dampft das hier.« Er wedelte sich demonstrativ Luft zu. »Bist du sicher, dass ich mich nicht doch ausziehen sollte?«
»Ja«, zischte Anna belustigt.
»Schade!« Bendt kniff Anna oberhalb des Knies ins Bein, so dass sie mit dem Oberkörper nach vorn schoss und lachend quietschte.
»Wehe, du machst das noch mal. Ich schwöre dir, ich schmeiß dich raus.« Sie sah ihn einen Moment lang prüfend an und legte sich dann wieder in ihre alte Position zurück.
»Soll ich dir vielleicht die Füße massieren?«, bot Bendt an.
»O ja!« Anna streckte prompt einen Fuß aus der Wanne und wackelte mit den Zehen.«
»Ich war noch kurz in der Wohnung und habe ein paar Sachen geholt«, sagte Bendt, während er begann, Annas
Weitere Kostenlose Bücher