Schneetreiben
Fuß durchzukneten. »Ich wollte nicht mitten in euer Abendessen reinplatzen, deshalb bin ich so spät.«
»Wie rücksichtsvoll!« Die Ironie in Annas Stimme war nicht zu überhören. »Mit irgendeiner Fußballübertragung kann das ja unmöglich etwas zu tun gehabt haben, oder? Wie war denn eure Vernehmung überhaupt, seid ihr in dem Fall weitergekommen? Du hast am Telefon so wenig erzählt.«
»Weitergekommen sind wir nicht wirklich. Im Moment schließen wir nicht einmal aus, dass es eine Verwechslung gegeben hat und der Täter den falschen Zwilling umgebracht hat.«
Anna hob überrascht die Brauen. »Seid ihr denn sicher, dass es Mord war?«
»Nicht im Geringsten. Vor allem gibt es kein greifbares Motiv.«
»Hast du nicht gestern gesagt, dass eine von beiden verheiratet war? Vielleicht war es der Ehemann, jedenfalls, wenn es eine Verwechslung gab?«
Bendt schüttelte den Kopf. »Der will erstens gewusst haben, dass nicht seine Frau, sondern seine Schwägerin in derWohnung war, und zweitens hätte er nichts davon, wenn seine Frau tot wäre.«
»Wieso nicht? Vielleicht wollte er sie beerben«, sagte Anna.
»Fehlanzeige. Die Schwestern haben sich gegenseitig als Erben eingesetzt«, gab Bendt zurück.
»Wenn sie so reich war, wie du sagst, muss das allein nichts heißen.«
»Wieso?«
»Weil ihm als Ehegatten ein Pflichtteilsrecht zusteht«, belehrte Anna ihren Freund. »Neben der Schwester stünde ihm gesetzlich die Hälfte des Vermögens seiner Frau zu, wenn es kein Testament gäbe …«
»Gab es ja aber!« Anna konnte Bendt ansehen, dass ihm im Gegensatz zu ihr eigentlich gerade nicht der Sinn danach stand, sich mit diesem Fall zu beschäftigen.
»Ich war noch nicht am Ende«, tadelte sie. »Selbst wenn er durch das Testament von der Erbfolge ausgeschlossen ist, behält er dennoch ein Anrecht auf einen Teil ihres Vermögens, nämlich die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, wobei es hinsichtlich der Höhe dann noch auf den Güterstand der Ehe ankommt.«
»Das überzeugt mich trotzdem nicht«, erwiderte Bendt. »Sie hat erzählt, dass sie ihr Testament zu seinen Gunsten ändern wollte, und er fand, sie könne sich damit Zeit lassen. Das klingt mir nicht nach einem Mord aus Habgier.«
»Wahrscheinlich hast du recht«, räumte Anna ein, »aber vielleicht hatte er etwas mit der Schwester? Schön weitermachen mit der Massage übrigens.«
»Das kannst du vergessen.«
»Was, das war’s schon?«
Bendt grinste. »Ich sprach von den beiden Schwestern und nicht von deinen Füßen. Dass beide etwas mit dem gleichen Mann hatten, glaube ich nicht. Erstens war diejenige der Schwestern, die gestorben ist, psychisch sehr krank, und zweitens sind Braun und ich beide hundertprozentig sicher, dass die Zwillinge sich nicht gegenseitig den Mann ausgespannt hätten. Das Verhältnis war viel zu eng. Außerdem kann ich mir keinen Mann vorstellen, der, wenn er von seiner eigenen Frau genug hat, ausgerechnet etwas mit der Zwillingsschwester anfängt. Da kommt er doch vom Regen in die Traufe.«
»Mag sein«, seufzte Anna und schloss die Augen, um einen Moment lang die Fußmassage zu genießen. Als Bendt verdächtig im Wasser herumplätscherte, öffnete sie allerdings wieder eins davon. »Was ist eigentlich mit meinem zweiten Fuß?«
Bendt setzte eine Unschuldsmiene auf. »Ich such gerade nur nach dem zweiten.«
»Hier ist er«, sagte Anna und klatschte Bendt ihren triefnassen Fuß auf die Brust. »Nur falls du vergessen hattest, wie Füße aussehen«, fügte sie mit einem warnenden Blick hinzu, bevor sie wieder auf den Fall zu sprechen kam. »Möglich wäre ja auch, dass die eine Schwester die andere umgebracht hat. Wer weiß, wenn du sagst, die eine war psychisch krank, ist die andere es vielleicht auch. Vielleicht sind beide schizophren und haben gedacht, sie sind in Wahrheit nicht zu zweit, sondern zu viert.«
»Wie kann jemand, der so hübsche Füße hat, bloß so viel absurden Kram reden? Und weißt du eigentlich, dass es aus ökologischen Gesichtspunkten viel klüger wäre, wenn ich jetzt mit dir baden würde?«
7
Smilla wedelte mit dem Schwanz und lief Carla sofort winselnd und mit gesenktem Haupt entgegen, als sie von ihrem Einkauf zurückkam. Die Hündin schmiegte sich an ihre Beine und benahm sich, als wäre sie über Wochen und nicht nur eine knappe Stunde allein gewesen. Carla rührte es, wie die Hündin im Moment noch mehr als sonst ihre Nähe suchte. Das Tier spendete ihr Trost. Carla ging in die Knie,
Weitere Kostenlose Bücher