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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gladow
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seiner Gegenwart zu weinen. Unschlüssig schaute sie zu der Häuserzeile auf der gegenüberliegenden Straße hinüber und fand noch immer nicht den Mut, in das hell erleuchtete Lokal hineinzugehen. Obwohl sie ziemlich sicher gewesen war, dass Konrad kommen würde, war ihr doch ein Stein vom Herzen gefallen, als sie ihn vor ungefähr zehn Minuten mit hoch aufgestelltem Mantelkragen die Straße hatte hinaufeilen sehen. Er war vor dem Lokal nur kurz stehengeblieben und hatte sich sogleich hineinbegeben, nachdem er sich flüchtig umgeblickt und sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite nicht entdeckt hatte. Vermutlich war er wütend, dass er an ihrer Wohnungstür nur die von ihr daran angepinnte Nachricht vorgefunden hatte. Sie ging noch ein paar Schritte weiter am Wasser entlang und legte sich wieder dieselben Worte zurecht. Er hatte keine Ahnung, wie verzweifelt sie ihn liebte.
    Bei einem am Kai angetäuten kleinen Schiff, dessen Segel mit kleinen goldenen Lichtern umrahmt waren, blieb sie stehen und lauschte dem Klappern der kleinen Schiffsfahne,die im Rhythmus des Windes hin und her flatterte. Wie weit ich mich inzwischen von der Frau entfernt habe, die ich noch vor zwei Jahren war, dachte sie, während sie auf das schaukelnde Boot hinabblickte. Die Affäre mit Konrad hatte aufregend begonnen und war damals schön für sie gewesen, weil noch keine echte Liebe, sondern nur Leidenschaft im Spiel gewesen war. Wie merkwürdig es war, wenn sie jetzt an die ersten Monate zurückdachte. Anfangs hatte sie noch geglaubt, sich zu irren, sich einzubilden, dass dieser souveräne und imposante Mann, der immerhin achtzehn Jahre älter war als sie, etwas von ihr wollte. Aber sie hatte sich nicht geirrt. Es war der Ausdruck in seinen Augen gewesen, mit denen er im abgedunkelten Behandlungszimmer manchmal während der Ultraschalluntersuchung eines Patienten zu ihrem Platz am PC aufgeblickt hatte. Irgendwann hatte sie begonnen, seine Blicke mit klopfendem Herzen zu erwidern und später sich geradezu nach jedem noch so kleinen Zeichen von ihm zu verzehren. Es hatte lange gedauert, bis er sie wirklich das erste Mal geküsst und berührt hatte. Lange vorher war sie ihm längst verfallen und bereit gewesen, sich ihm hinzugeben. Es war wie ein Spiel, dessen Ausgang zwischen ihnen von Beginn an klar gewesen war und dessen Geschwindigkeit er allein bestimmt hatte, um das erotische Knistern zwischen ihnen bis zur Unerträglichkeit zu steigern. Schon seinen Atem in ihrem Nacken zu spüren, wenn er wie zufällig hinter ihren Drehstuhl getreten war, hatte sie damals fast um den Verstand bringen können. Von Tag zu Tag hatte er ihre Gedankenwelt mehr dominiert und war die Sehnsucht nach ihm unerträglicher für sie geworden. Ihr gesamter Tagesablauf war dadurch bestimmt worden, dass sie seine Nähe suchte und die kleinen, kaum wahrnehmbarenVertraulichkeiten genoss, die sie schon damals die Ekstase erahnen ließ, die sie noch heute empfand, wenn sie mit ihm schlief. Sie hatte Strategien entwickelt, um immer öfter mit ihm allein zu sein, indem sie sich unter einem Vorwand in sein Behandlungszimmer stahl oder auf dem Flur wie zufällig an ihm vorbeistreifte. Sie begann, ihren Dienstplan nach seinem auszurichten und sich schließlich in der Hoffnung, irgendwann am Abend mit ihm allein zu sein, für die Abendschicht einteilen zu lassen. Allein in der Praxis zu bleiben, war nicht ganz einfach, weil die Helferinnen die Order hatten, selbst wenn der Chef im Hause war, die Tür abends gemeinsam abzuschließen und das Haus auch zusammen zu verlassen. Den Schlüssel behielt aber damals abends nicht sie, sondern eine andere Kollegin, die die Dienstälteste war. Eines Abends, als ihre Kollegin besonders in Eile gewesen war, hatte sie ihre Chance genutzt und, nachdem sie die Praxis verlassen und schon die U-Bahn-Station erreicht hatten, vorgegeben, ihren Wohnungsschlüssel in der Praxis vergessen zu haben. Angesichts der Eile ihrer Kollegin war es Susan nicht schwergefallen zu vermitteln, dass sie in diesem einen Fall eine Ausnahme machen und sie allein zur Praxis zurückgehen lassen könnte.
    Ihr Herz hatte ihr bis zum Hals hinauf geschlagen, als sie an jenem lauwarmen Sommerabend den Schlüssel zur Praxistür herumgedreht und sich hineingestohlen hatte. Ihr Wunsch, mit ihm zusammen zu sein, war damals größer als die Angst vor der eigenen Courage gewesen. Dann hatte sie eine gefühlte Ewigkeit hinter seiner angelehnten Bürotür gestanden und sich

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