Schneetreiben
Geheimnis gab, das sie vor den Kommissaren verbarg, und vor allem, mit welcher Art anderer Hiobsbotschaft sie eigentlich gerechnet hatte.
»Mein Mann ist bereits weg und müsste schon in der Praxis sein«, erklärte Frau Frombach und bat Anna und die Kommissare herein.
»Es tut mir wirklich sehr leid, dass wir Ihnen diese Durchsuchung so kurz nach dem Tod Ihrer Schwester zumuten müssen«, sagte Anna, während sie sich von FrauFrombach in die Bibliothek führen ließ. Die beiden anderen Beamten hatten sich nach einer kurzen Absprache in Richtung des bei den Stallungen gelegenen Bürotraktes auf den Weg gemacht.
»Die Tatsache, dass wegen des Ihnen bekannt gegebenen Tatvorwurfs gegen Ihren Mann ermittelt wird, heißt noch lange nicht, dass er deshalb auch zwingend angeklagt oder gar verurteilt werden wird«, erläuterte Anna.
Carla Frombach nickte nur schwach und deutete auf einen bombastischen Schreibtisch aus massivem Mahagoni, der ungefähr in der Mitte der imposanten Bibliothek stand. Anna blickte fasziniert auf die hohen Bücherwände, die teils bis an die Decke reichten und bodenseitig durch eine Reihe von hohen Klappfächern begrenzt wurden. Hier fand sich unzweifelhaft ein atemberaubender Schatz an Büchern, der unter anderem aus aufwendig und teuer gebundenen Enzyklopädie-Reihen, Atlanten und Lexika bestand. Bei anderer Gelegenheit wäre Anna zu gern auf die geschwungene Leseleiter gestiegen, die an einem der Regale eingehängt war, und hätte ein wenig herumgestöbert.
»Mein Mann hat in den seltensten Fällen zu Hause gearbeitet«, erklärte Carla Frombach leise. »Ich glaube nicht, dass er Geschäftsunterlagen hier aufbewahrt.« Sie deutete auf die Klappfächer an der Unterseite der Regale. »Wenn überhaupt, könnten Sie allenfalls dort etwas finden. Ansonsten handelt es sich ausschließlich um private Papiere. Was die Korrespondenz und Geschäftspapiere hinsichtlich des Gestüts betrifft, befindet sich das alles in dem Bürotrakt bei den Ställen, zu dem Ihre Kollegen gegangen sind. Dort erledige ich die Verwaltung für das Gut. Mein Mann hält sich dort für gewöhnlich nicht auf.«
»Ich danke Ihnen, dass sie so kooperativ sind. Wir werden Sie hier sicher nicht sehr lange belästigen.«
Carla Frombach schien noch etwas sagen zu wollen. Dann hörten beide das Läuten des Telefons.
»Ich nehme an, das wird mein Mann sein. Ich würde den Anruf gern in der Küche entgegennehmen, wenn Sie nichts dagegen haben?«
Anna lächelte. »Sicher, gehen Sie nur, Frau Frombach«, sagte sie zu der Frau, deren Schicksal und Erscheinung sie aufrichtig rührte. Anna setzte sich an den Schreibtisch und strich über das glatte dunkle Leder der Schreibtischauflage, die das glänzende Holz schützte. Die wenigen Gegenstände auf dem Schreibtisch hatte man in perfekter Harmonie zueinander abgestimmt und dekoriert. Genauso stellte sich Anna den Schreibtisch eines hochrangigen Politikers in einem Politikmuseum vor. Ein massiver kostbarer Füllfederhalter stand schräg aufgestellt in einer eigens dafür vorgesehenen Halterung aus blankgeputztem Sterlingsilber. Daneben das unberührt aussehende Tintenfass und ein mit Ledereinband versehener Schreibblock, auf dem nicht eine einzige kleine Notiz zu finden war.
Anna zog nacheinander die an beiden Längsseiten des Tisches angebrachten Schubladen auf. Sie fand nichts Ungewöhnliches darin. Unter einem Stapel belangloser Papiere förderte sie lediglich Büroklammern, weitere Schreibutensilien und eine alte goldene Herrenuhr zutage. Sie schloss den Schreibtisch wieder, stand auf und wandte sich den Fächern unterhalb der Bücherregale zu.
Nacheinander öffnete sie die massiven Holzklappen und überflog die Überschriften der dort deponierten Einbände. »NEBENKOSTEN«, »ABSCHREIBUNGEN HAUS«, »KONTOAUSZÜGEPRIVAT«, »NOTAR« und andere Aufschriften fanden sich in fein säuberlich gemalten Großbuchstaben auf den jeweiligen Aktenrücken und ließen auf eine penible Ordnung schließen.
Anna griff nach dem Ordner mit der Aufschrift »NOTAR« und schlug ihn auf.
11
Der Wind war so unangenehm kalt, dass Susan den Kragen ihres Wollmantels enger zusammenzog, während sie auf das graue Wasser der Untertrave blickte. Nur vereinzelt tanzten kleine Schneeflocken über den Abendhimmel und verloren sich dann irgendwo in der Dunkelheit. Susan streifte einen Handschuh ab, fuhr mit den Fingerkuppen unter ihren Augen entlang und ermahnte sich, bloß nicht mehr und vor allem nicht in
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